Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 89

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Die Frage der Mitwirkung der Volksvertretungen in den konstitutionellen Monarchien u. den Republiken beim Abschluß von völkerr. Verträgen ist in verschiedenen Staaten verschieden, im Allgemeinen wenig präzis und konsequent geregelt. Von den deutschen Staaten hat die württembergische am detailliertesten die Frage behandelt. Danach unterliegen der Zustimmung der Kammern diejenigen Verträge, welche Gebietsveräußerungen u. Gebietserwerbungen, finanzielle Belastung des Königreichs, Abänderung oder Aufhebung von Landesgesetzen (Zoll- und Handelsverträge), Verpflichtungen, welche die Rechte des Landesangehörigen abändern, betreffen.

Was das Deutsche Reich betrifft, so werden verfassungsmäßig alle Verträge, welche in den Bereich der Reichsgesetzgebung fallen,[1] von der Zustimmung des Reichstags abhängig gemacht. – In England müssen alle rechtssetzende Verträge dem Parlament zur Annahme vorgelegt werden. In der Praxis werden aber Gebietsabtretungen u. -Erwerbungen nicht in die Kategorie von rechtssetzenden Verträgen gerechnet, wie dies bei der Frage der Abtretung Helgolands der Fall war. – In der Verfassung der Vereinigten Staaten von Nordamerika finden wir den eigenartigen Satz, daß die sog. Gewaltverträge der Zustimmung des Repräsentantenhauses nicht bedürfen. – In der Schweiz bedarf es zu keinem Staatsvertrage, auch nicht zu einem, welcher Bundesgesetze ändert, der Zustimmung des Volkes (Referendum).[2]

Im Allgemeinen ergibt sich aus dem Grundrecht der Volksvertretungen in den konstitutionellen Monarchien u. den Republiken auf Mitwirkung bei der Aufstellung des staatlichen Haushaltsetats (Budget) nur die praktische Regel, daß die Zustimmung derselben zu allen Verträgen notwendig ist, welche eine finanzielle Belastung des Staates zur Folge haben.

6. Abschließung der Staatsverträge

Die Abschließung der Staatsverträge steht einzig u. allein dem obersten Regierungsorgane jedes Staates zu. In der Regel werden sie aber selten von den Monarchen resp. Präsidenten der Republik persönlich abgeschlossen. Dazu bedient sich das Staatsoberhaupt gewöhnlich der Vollzugsorgane der auswärtigen Politik: der Minister des Auswärtigen, der ständigen diplomatischen Vertreter, der ad hoc abgeordneten diplomatischen Vertreter u. dergl. – Bei der Abschließung von Staatsverträgen kommen gewöhnlich folgende drei Momente in Betracht: die Beratung, die Festsetzung des Inhalts des Vertrages u. der Austausch der Ratifikationen.

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[1] Fleiner: Art. 4 der R.Verfssg zu ihrer Gültigkeit!

[2] Fleiner: wohl aber von National- und Ständerat.