Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 127

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Aus Frankreich (Fälschungen des Generalstabs. Neuer Prozeß in Aussicht. Universität und Sozialismus.)

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Das gegen den Zola-Vater im „Petit Journal“ veröffentlichte Dokument stellt sich als eine äußerst plumpe Fälschung heraus. Es ist dies bekanntlich ein langer Brief aus dem Jahre 1832, angeblich herrührend von dem Oberst der Fremdenlegion, Combe, worin dem Leutnant derselben Legion, Zola, Unterschlagungen bei Kleidungslieferungen für die Armee zur Last gelegt werden. Nun erweist es sich aber, daß vor allem der wirkliche Oberst Combe seinen Namen anders schrieb als der Gewährsmann des „Petit Journal“, daß zweitens in dem Brief in Verbindung mit der angeblichen Unterschlagung Ämter genannt werden, die zu der Zeit, aus der das Dokument herrühren soll, in Algerien noch gar nicht existierten, daß drittens zu jener Zeit Zola gar nichts mit Lieferungen zu tun hatte, welche vielmehr einem anderen Offizier oblagen, daß viertens derselbe Zola erst zwei Monate nach seiner angeblichen Verhaftung auf Grund der angeblichen Unterschlagungen zum Leutnant der Fremdenlegion ernannt wurde, daß endlich der Oberst Combe selbst, der die ganze Mordgeschichte über die Unterschlagungen in der Fremdenlegion im Jahre 1832 geschrieben haben soll, zu jener Zeit gleichfalls nichts mit der Fremdenlegion zu tun hatte. Es ist klar, daß der „vernichtende“ Brief von sehr ungeübter Hand gefälscht worden war, hoffentlich wird er zur moralischen Vernichtung der Partei des Generalstabs nicht wenig beitragen. –

Der „Siècle“ veröffentlicht Tag für Tag in großen Lettern seine Anschuldigung gegen den General du Paty de Clam, der Ehrenmann schweigt sich aber hartnäckig aus, was an sich eine vielsagende Antwort ist. Hingegen hat Oberst Picquart dem Untersuchungsrichter eine formelle Klage gegen du Paty de Clam eingereicht. Der Staatsanwalt wird aber der Klage erst dann Folge geben, nachdem er die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung gegen Esterhazy und seine Maitresse in Erfahrung gebracht hat. –

Jaurès hat der staatswissenschaftlichen Fakultät der Pariser Universität den Vorschlag gemacht, ihm einen Lehrstuhl für den wissenschaftlichen Sozialismus zur Verfügung zu stellen. Die Fakultät schlägt es natürlich ab, und zwar mit der Motivierung, daß, obzwar sie prinzipiell allen Richtungen freien Spielraum gewähre, unter den gegebenen Umständen wenig Aussicht vorhanden sei, daß die Vorlesungen einen ob

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[1] Die Notiz ist mit II, einem Zeichen Rosa Luxemburgs, versehen. An Leo Jogiches hatte Rosa Luxemburg am 10. Juli 1898 geschrieben: „Mit Parvus [Redakteur der SAZ] habe ich die Beziehungen aufs beste hergestellt: Ich schreibe solche Notizen für ihn, wie Du sie dort hast, über Polen, Frankreich und Belgien. Sie geben mir 30 M im Quartal für das Zeitschriftenabonnement! Natürlich neben dem Honorar.“ Bei Gelegenheit wünsche er solche Notizen auch über England, Italien und die Türkei. Siehe GB, Bd. 1, S. 171.