II. Diskussionsbeitrag
Nach einem Polizeibericht
Luxemburg erklärte den anwesenden polnischen Genossen, sie müsse als Vertreterin der Polen darauf dringen, sich den Wünschen der deutschen Genossen anzupassen; um so mehr, als die Polen von heutzutage doch nur von sich behaupten könnten, sie wären deutsche resp. österreichische und russische Polen. Auch könne sie an der Hand von Übersetzungen aus der „Gazeta Robotnicza“ nachweisen, daß die polnischen Sozialisten eine direkte feindselige Haltung den Deutschen gegenüber einnehmen.[1]
I. Drucksache des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In: LAB, A Pr. Br. Rep. 030, Nr. 9484, Bl. 11.
II. LAB, ebenda, Bl. 5 u. 5 R.
[1] Die Konferenz am 19. Oktober 1902 in Berlin war vom Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie bereits vor dem Münchener Parteitag vorbereitet und vom Parteitag, der vom 14.–20. September 1902 stattfand, befürwortet worden. Sie sollte der Beilegung der vorhandenen Differenzen und der Wiederaufnahme geregelter Beziehungen zwischen den beiden Parteileitungen und den Genossen polnischer und deutscher Nationalität dienen. An der Konferenz nahmen teil: 1. der Vorstand der PPS; 2. Delegierte der polnischen Genossen; 3. Delegierte der deutsch-polnischen Genossen aus Posen und Oberschlesien; 4. die Schlesische Agitationskommission Breslau; 7. der deutsche Parteivorstand.
Zur Verhandlung standen drei Vorschläge: 1. Leitsätze der Genossin Dr. Luxemburg und Genossen; 2. Leitsätze des deutschen Parteivorstandes und 3. Leitsätze des polnischen Parteivorstandes. Vor allem in den Punkten Organisation und Reichstagskandidaturen konnte keine Einigung erzielt werden. Der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie sah sich nach dem Scheitern der Verständigung veranlaßt, den Teilnehmern der Konferenz folgende Stellungnahme mitzuteilen: „Der deutsche Parteivorstand ist außer Stande über das Maß der in dem Abschnitt ‚Organisation‘ gemachten Zugeständnisse hinauszugehen.
Die Annahme der Vorschläge des deutschen Parteivorstandes seitens des polnischen Parteivorstandes hat zur Voraussetzung die Durchführung der Auffassung des deutschen Parteivorstandes in bezug auf die Presse und die Reichstagskandidaturen, auch betreffend Dr. Winter.
Desweiteren ist Grundbedingung für die Verständigung und gewissenhafte Einhaltung und Durchführung der vereinbarten Leitsätze, daß die Besetzung der Kandidatur des Kreises Beuthen-Tarnowitz aufgrund der unter der Rubrik ‚Reichstagskandidaturen‘ getroffenen Vereinbarung vollzogen wird. Sollte bei der neuen Nominierung der Genosse Dr. Winter wieder aufgestellt werden, so ist von polnischer Seite kein Widerspruch zu erheben.
Auch über diese Grundbedingung wird der polnische Parteivorstand um eine bündige, jede Deutung ausschließende Antwort ersucht.
Im Interesse des baldigen Abschlusses der schwebenden Verhandlungen ist eine Beschleunigung des Eingangs der erbetenen Antworten erwünscht.“ Die gescheiterten Einigungsverhandlungen zwischen dem Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie und der Polnisch-sozialistischen Partei in Deutschland, Berlin 1903, S. 8. In: LAB, A Pr. Br. Rep. 030, Nr. 9484, Bl. 126 R.
Die PPS führte am 25./26. Dezember 1902 in Berlin ihren VII. Parteitag durch, auf dem sie ihre unterschiedliche Position im Verhältnis zum deutschen Parteivorstand verfestigte und sich unlauterer Mittel bediente, siehe auch S. 467 ff. und 473 ff.