Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 167

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-6/seite/167

Zur Illustration des Volkselendes in Italien

[1]

An dem Pellagra[2], der furchtbaren Begleiterscheinung des höchsten Massenelendes in Italien, insbesondere der ganz unzureichenden Ernährung der Armen, starben 1896 nach einer offiziellen Statistik 3078 Personen, d. i. 0,98 auf je 10000 Einwohner. Die höchste Sterblichkeitsziffer an dem Pellagra wies absolut und relativ das venetienische Gebiet auf mit 995 Personen bzw. 3,22 auf 10000 Einwohner. Ihm reiht sich die Lombardei an mit 984 Personen, d. i. 2,43 auf 10000 Einwohner. Die Provinz Toskana hat mit 112 Todesfällen bzw. 0,48 auf 10000 Einwohner, die niedrigste Sterblichkeitsziffer von den sieben italienischen Provinzen, die hauptsächlich von dem Pellagra heimgesucht werden. Zu den Tausenden, welche der furchtbaren Seuche erliegen, kommen noch Tausende von Pellagrosen, welche zeitlebens siech bleiben, zu Krüppeln werden, verblöden oder dem Wahnsinn anheimfallen. Und das alles, weil sie sich des in unserer Gesellschaft fluchwürdigen Verbrechens schuldig machten, arm zu sein. Göttliche Weltordnung!

Sächsische Arbeiter-Zeitung (Dresden),

Nr. 216 vom 17. September 1898.

Nächste Seite »



[1] Diese Notiz ist mit ♂, einem von Rosa Luxemburgs Zeichen, versehen. An Leo Jogiches hatte Rosa Luxemburg am 10. Juli 1898 geschrieben: „Mit Parvus [Redakteur der SAZ] habe ich die Beziehungen aufs beste hergestellt: Ich schreibe solche Notizen für ihn, wie Du sie dort hast, über Polen, Frankreich und Belgien. Sie geben mir 30 M im Quartal für das Zeitschriftenabonnement! Natürlich neben dem Honorar.“ Bei Gelegenheit wünsche er solche Notizen auch über England, Italien und die Türkei. Siehe GB, Bd. 1, S. 171.

[2] Das Pellagra ist eine durch Mangel an Vitamin B 2 hervorgerufene Krankheit.