sechs Literaten den Versuch zu unternehmen wagten, wochenlang die ganze Parteipresse für ihre winzige persönliche Angelegenheit in Anspruch zu nehmen, die Partei in unerhörter Weise nach außen hin bloßzustellen und ihren Willen der Masse der Genossen durch skrupellose Streiche aufzuzwingen. Und auch noch in dem Umstand sehen wir das Skandalöse, daß sie bei diesem Unternehmen den moralischen Beistand so alter Parteigenossen finden, wie Ehrhart einer ist. Wenn irgendwann, hätte sich Ehrhart diesmal sagen müssen: Landgraf, werde hart! –
Vorwärts (Berlin),
Nr. 280 vom 30. November 1905.
„Über Thema darf nicht diskutiert werden“
In der neuesten Nummer des „Grundstein“, Organ des Zentralverbandes der Maurer, lesen wir: Dem politischen Massenstreik stehen wir nach wie vor sehr skeptisch gegenüber; trotz der rhetorisch und historisch glänzenden Rede Bebels[1] lehnen wir eine Diskussion sowohl wie eine Propagierung des politischen Streiks nach wie vor mit aller Entschiedenheit ab. Aber diese Frage zu entscheiden halten wir übrigens den Gewerkschaftskongreß[2] für viel kompetenter als den Parteitag… Dafür werden wir immer nachdrücklichst eintreten, daß die Gewerkschaften tonangebend sind in Fragen, die ihre Fortentwicklung berühren, wovon unter Umständen ihr Sein oder Nichtsein abhängt.
Der „Grundstein“ muß sich unbedingt einmal mit der russischen Revolution gründlich auseinandersetzen. Die lose Person hat nämlich eine förmliche Flut von politischen Massenstreiks entfesselt, ohne einen dahingehenden Instanzenbeschluß der Gewerkschaften abzuwarten, ja, ohne auch nur eine Erlaubnis zur Diskutierung des verpönten Gegenstandes rechtzeitig erwirkt zu haben.
[1] Gemeint ist das Schlußwort August Bebels in der Debatte über den politischen Massenstreik auf dem Jenaer Parteitag am 22. September 1905, in dem er u. a. ausführte: „Der Parteitag soll sich nur im Prinzip dafür aussprechen, daß gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – natürlich ist dabei auch die Möglichkeit des Streiks vorausgesetzt – die Parteiführer mit den gewerkschaftlichen Führern darüber zu beraten haben: sollen wir praktisch verwirklichen, was wir in der Idee akzeptiert haben? […] Es handelt sich auch heute nicht darum, die Partei schon heute auf den Massenstreik in einem gegebenen Falle festzulegen. Das würde ich für den größten Fehler halten, den wir machen könnten. Nein, wir haben ihn nur für den gegebenen Fall als ein Kampfmittel mit in Erwägung zu ziehen. Dazu ist es allerdings notwendig, Aufklärung über die Bedeutung dieser Waffe und der Rechte, die gegebenenfalls mit dieser Waffe verteidigt werden sollen, zu schaffen. […] Wir ändern mit diesem Beschluß durchaus nicht unsere Taktik, sondern nehmen nur ein neues Kampfesmittel zu den Waffen, die wir heute zur Verfügung haben, auf, um im gegebenen Falle die Frage zu entscheiden: wollen wir, können wir, und wie können wir es anwenden. […] Und wenn wir jemals wirklich von dem Massenstreik Gebrauch machen wollen, dann werden wir der Masse nicht nur sagen, um was es sich handelt, sondern auch, weshalb wir dies Mittel gebrauchen wollen, weil wir ohne diese Aufklärung die Massen gar nicht gewinnen können.“ Parteitagsprotokoll Jena 1905, S. 336 und 338.
[2] Der fünfte Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands fand in Köln vom 22. bis 27. Mai 1905 statt. In seiner Resolution heißt es: „Den Generalstreik, wie er von Anarchisten und Leuten ohne jegliche Erfahrung auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Kampfes vertreten wird, hält der Kongreß für undiskutabel; er warnt die Arbeiterschaft, sich durch die Aufnahme und Verbreitung solcher Ideen von der täglichen Kleinarbeit zur Stärkung der Arbeiterorganisationen abhalten zu lassen.“ Kongreßprotokoll, Berlin o. J., S. 30.