Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 477

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Resolution vom 8. März 1903 zu den Reichstagswahlen

[1]

Die auf dem Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands für die Provinz Posen[2] vereinigten Vertreter der klassenbewußten polnischen und deutschen Arbeiterschaft erklären:

Daß die Politik der bisherigen parlamentarischen Vertretung dieser Provinz, der sogenannten „Polenfraktion“ im Reichstag, eine Politik der Klassenausbeutung und des nationalen Verrats ist,

daß namentlich durch die Stimmabgabe in allen Lesungen für den sogenannten Hungertarif[3] die „Polenfraktion“, ihre Mitglieder von der sogenannten „Volkspartei“ mit eingeschlossen, sich als das Werkzeug der unverschämtesten Junkerinteressen und als ärgster Feind des materiellen Wohlstandes des arbeitenden Volkes erwiesen hat,

die „Polenfraktion“, indem sie sich zu diesem Beutezug gegen das arbeitende Volk mit dem Zentrum, den Agrariern, den Nationalliberalen, den Hakatisten[4] vereinigte, sich eines offenen Verrats schuldig gemacht hat.

Da es sich soweit herausgestellt hat, daß die „Polenfraktion“ sich nur der nationalen Phrase bediente, um das Volk zu täuschen und die schnödeste Interessenpolitik des Junkertums zu bemänteln, so fordert der sozialdemokratische Parteitag der Provinz Posen das polnische und deutsche arbeitende Volk der Provinz auf, mit vereinten Kräften dafür zu sorgen, daß das Joch der herrschenden Schlachta endlich abgeschüttelt wird; er fordert alle diejenigen auf, denen das Wohl der arbeitenden Klassen und das Interesse der polnischen Nationalität am Herzen liegt, bei den kommenden Reichstagswahlen [am 16. Juni 1903] wie ein Mann für die Kandidaten der Sozialdemokratie zu stimmen, als der einzigen Partei, die aufrichtig jede Ausbeutung und Unterdrückung bekämpft.

LAB, A Pr. Br. Rep. 030, Nr. 12255, Bl. 281 R.

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[1] Überschrift der Redaktion.

[2] Der Parteitag der PPS für das preußische Annexionsgebiet Posen fand am 8. und 9. März 1903 statt. Für die erkrankte Rosa Luxemburg übernahm das Referat Paul Löbe, Breslau. Die von Rosa Luxemburg eingesandte Resolution wurde am 8. März 1903 angenommen.

[3] Siehe S. 413, Fußnote 3.

[4] Siehe S. 309, Fußnote 7.