Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 906

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Arbeiteruniversitäten, nicht einmal die heutigen Arbeiterbildungsschulen. Und doch hatten sie sicher nicht weniger zu tun und nicht mehr freie Zeit, als wir jetzt haben. Wie haben es unsere Alten trotzdem fertiggebracht, sich so tüchtig auszubilden? Wir denken: Sie hatten einfach mehr wahren Wissensdrang als die meisten Genossen heute, sie ließen es sich mehr ehrliche Mühe kosten und hatten mehr aufrichtigen Respekt vor der „Theorie“, um in der täglichen Kleinarbeit nicht unterzugehen und nicht geistig zu veröden. Wenn dieser Geist in unseren Reihen mehr gepflegt wird, werden wir auch heute tüchtige und durchgebildete Agitatoren aus eigener Kraft haben.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 294 vom 16. Dezember 1905.

Tarif und Revolution

Herr Rexhäuser erwidert in einem langen Artikel unsere neulichen Bemerkungen an die Adresse der „Steinsetzer-Zeitung“.[1] Er befolgt dabei seine alte und „bewährte“ Taktik, seine eigene Person mit dem ganzen Buchdrucker-Verband zu identifizieren und alles, was man gegen seine verkehrten Ansichten und polemischen Manieren sagt, in einen Angriff auf die Buchdrucker zu verdrehen. Sachlich erklärt Rexhäuser, der Bericht der „Sächsischen Arbeiter-Zeitung“, aus dem wir seine Ausführungen zitiert hatten, sei „blühender Blödsinn“ des Berichterstatters, der die Rexhäusersche Rede „absichtlich verstümmelt“ haben muß. In Bezug aber auf die von uns abgedruckte interessante Mahnung Rexhäusers an die tarifvergesslichen Budapester Buchdrucker, die im Dienste des Wahlrechtskampfes den Druck wahlrechtsfeindlicher Blätter verweigert haben, droht der Redakteur des „Correspondent“ folgendermaßen: Wenn nun einmal die gewerkschaftlich organisierten deutschen Buchdrucker sich weigern würden, solche sozialdemokratische Zeitungen zu setzen, die Angriffe gegen die Buchdrucker und ihr Organ (will sagen einfach: gegen Herrn Rexhäuser) bei den Haaren herbeiziehen? Was dann?

Wollen unsere österreichisch-ungarischen Kollegen nach dem Budapester Beispiele ihre Gewerkschaftsarbeit verrichten, wir werden sie darin nicht zu hindern suchen, dann mögen diese Kollegen auch die Konsequenzen ziehen und nicht gleichzeitig einen Tarifvertrag mit zum Teile achtjähriger Gültigkeit abschließen. Dann können sie solche Spielereien lassen, dann Klarheit und „klar zum Gefecht!“ und keine Phrasen und keine unnötige Heuchelei!

Wenn also die Budapester Buchdrucker den für normale Zeiten und Verhältnisse abgeschlossenen und selbstverständlich bindenden Tarif in außerordentlicher Situation eines allgemeinen revolutionären Klassenkampfes zurückstellen, erklärt Rexhäuser

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[1] Siehe auch Aus der Partei. Beiträge und Kommentare zu Meldungen in der Rubrik „Aus der Partei“. In: GW, Bd. 6, S. 898 f.