Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 911

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Was ist Revisionismus?

Dann schreibt das Kölner Parteiblatt in bezug auf den von uns aus dem „Bau- und Hilfsarbeiter“ abgedruckten kleinen Aufsatz des Genossen Fröhlich: „Was ist Revisionismus?“[1]: Daß eine einigermaßen genaue Kenntnis der sozialistischen Bewegung selbst vielen bereits der Partei angeschlossenen Arbeitern noch abgeht, dafür liefert der Kölner Beamte der Bau- und Erdarbeiter einen trefflichen Beweis. Er hat kürzlich in der Zeitung seines Verbandes eine nette Zusammenstellung von Ansichten über Revisionismus und Revisionisten gegeben. Nicht etwa seine eigenen Ansichten wollte er damit wiedergeben, sondern eine Blütenlese dessen, was man „im Volksmunde“ als Merkmale der Revisionisten betrachte. Und diese Zusammenstellung ergab eine Verworrenheit der Anschauungen, die klärlich zeigte, daß es auch unter den für die Partei bereits Gewonnenen noch viele gibt, die in die sozialistische Gedankenwelt und die sozialdemokratischen Parteiverhältnisse erst noch eingeführt werden müssen. Wenn, wie es der Kölner Beamte der Bau- und Erdarbeiter schildert, „im Volksmunde“ solche Leute als Revisionisten gelten, die etwa nicht gerne Beiträge für die politische Organisation bezahlen oder in ihrer Gewerkschaft nicht das Parteiblatt empfehlen wollen, so ist das der beste Beweis für den völligen Mangel an theoretischer und parteipolitischer Schulung. Früher nannte man solche Drückeberger oder Leisetreter auf gut deutsch faule Köppe. Daß man sie einmal Revisionisten schimpfen werde, wird sich Herr Alfred Nossig, dessen „Revision des Sozialismus“ das hässliche geflügelte Wort geprägt hat, schwerlich haben träumen lassen.

Wir glauben, daß die „Rheinische Zeitung“ mit den obigen Ausführungen nicht sowohl den Verfasser des hübschen und witzigen Momentbildes des Revisionismus, wie vielmehr diesen letzteren selbst trifft: „Der völlige Mangel an theoretischer und parteipolitischer Schulung“, die „Verworrenheit der Anschauungen“ sind nun einmal Teiläußerungen des Revisionismus, wie er ja auch tatsächlich in allen möglichen Farben schillert. Vertreter dieser Richtung „faule Köppe“ zu nennen, sollte sich jedoch unseres Erachtens verbieten aus Rücksichten auf den „guten Ton“.

Sozialdemokratie und Republikanismus

„Zu Hofe gehen“ soll und muß jeder, der im Büro einer Volksvertretung sitzt; das ist im Seniorenkonvent der hessischen Kammer erklärt worden. Die Sozialdemokraten sollten einen Schriftführer stellen dürfen, wenn sie erklären würden, daß sie die „verfassungsmäßigen“ Repräsentationspflichten zu übernehmen sich bereit erklären würden. Der Abg. Ulrich erklärte rund und bündig, daß er gar keine derartige Erklärung abgebe und die dahingehende Zumutung einfach für sich und seine Fraktion zurückweisen müsse,

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[1] Siehe Aus der Partei. Beiträge und Kommentare zu Meldungen in der Rubrik „Aus der Partei“. In: GW, Bd. 6, S. 894 f.