Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 132

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Aus Frankreich (Vom Fälscher, Gauner und Offizier der Ehrenlegion.)

[1]

Der Ehrenmann Esterhazy erscheint vor dem Publikum nun von einer neuen Seite, nämlich als ein simpler Schwindler in Geldangelegenheiten: Sein eigener Cousin, Graf Christian Esterhazy, hat gegen den Schützling des Generalstabs eine formelle Klage wegen Schwindel und Vertrauensbruch eingereicht. Die Sache verhält sich folgendermaßen: Der Kommandant Esterhazy schrieb vor einigen Jahren an seinen Vetter, er sei noch vom Lyzeum her in intimer Freundschaft mit Edmund Rothschild und mache mit dessen Hilfe glückliche finanzielle Operationen; er schlug nun dem Grafen vor, die Gelegenheit zu benutzen und gleichfalls durch seine, Esterhazys Vermittlung, eine beträchtliche Geldsumme dem Hause Rothschild anzuvertrauen. Dabei garantierte er von vornherein sowohl die Sicherheit der Summe selbst als auch ein Gewinnminimum von 25 Prozent. Graf Christian ging auf den Leim und schickte allmählich dem Kommandanten 38500 Francs. Nun stellt es sich aber, nach einer Nachfrage des Grafen Esterhazy bei dem Hause Rothschild heraus, daß Letzteres nie von dem Kommandanten einen Pfennig erhalten hat und somit die ganze Affäre Schwindel war. – Da es sehr zweifelhaft ist, ob diesmal „ein Befehl des Vorgesetzten“, die Anklage mit Stillschweigen zu beantworten, dem vielseitigen Gauner aus der Patsche helfen wird, so kommt die Sache wie bestellt, um die Partei des Generalstabs bis auf den Rest moralisch zu diskreditieren.[2]

Sächsische Arbeiter-Zeitung (Dresden),

Nr. 178 vom 4. August 1898.

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[1] Die Notiz ist mit II, einem von Rosa Luxemburgs Zeichen, versehen. An Leo Jogiches hatte Rosa Luxemburg am 10. Juli 1898 geschrieben: „Mit Parvus [Redakteur der SAZ] habe ich die Beziehungen aufs beste hergestellt: Ich schreibe solche Notizen für ihn, wie Du sie dort hast, über Polen, Frankreich und Belgien. Sie geben mir 30 M im Quartal für das Zeitschriftenabonnement! Natürlich neben dem Honorar.“ Bei Gelegenheit wünsche er solche Notizen auch über England, Italien und die Türkei. Siehe GB, Bd. 1, S. 171.

[2] Siehe dazu auch Rosa Luxemburg: Aus Frankreich. In: GW, Bd. 6, S. 123–128.