Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 870

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Aus der Partei. Beiträge und Kommentare zu Meldungen in der Rubrik „Aus der Partei“

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Die Hetzer an der Arbeit

In München, der Zentrale für die skrupelloseste Hetze gegen den Parteivorstand und die jetzige „Vorwärts“-Redaktion, machte Genosse Timm in einer sozialdemokratischen Versammlung, laut dem Bericht der „Münchener Post“, folgende Ausführungen: „Rosa Luxemburg, die beim Parteivorstand seit Jahren gegen die polnische sozialdemokratische Partei hetzt (!), halte ich die Genossin Golde entgegen. Genossin Golde hat ihren sicheren Platz verlassen und sich dorthin gestellt, wohin sie gehört. Nicht aber imponiert mir Rosa Luxemburg, die Heine und Frohme empfiehlt, nach Rußland zu gehen, während sie selbst in der sicheren Redaktion des ‚Vorwärts‘ bleibt, um Parteimeinung zu machen. Sie sollte sich sagen: Deutschland war unser Asyl, als wir aussichtslos kämpften, aber jetzt, wo die ganze russische Arbeiterschaft sich zur Verfügung stellt, da ist unser Platz in Rußland. Es ist traurig, daß derartiger Radikalismus immer noch ernst genommen wird. (Stürmische Zustimmung, vereinzelter Widerspruch.) Von solchen Leuten habe ich das Gefühl, daß sie, wenn es bei uns ernst würde, nach Zürich oder Paris gehen würden. Es handelt sich bei der ganzen Affäre nicht lediglich um die ‚Vorwärts‘-Geschichte, es handelt sich darum, daß die

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[1] Überschrift der Redaktion. Für die Rubrik „Aus der Partei“ zeichnete Rosa Luxemburg vom 27. November bis zum 28. Dezember 1905 verantwortlich. In ihrem Brief vom 26. November 1905 teilte sie Leo Jogiches mit: „Meine Stellung in der Redaktion erstarkt von Tag zu Tag, man gibt mir die Artikel zu lesen, man fragt mich in allem um Rat und hat großes Vertrauen zu mir. Ab Montag [ab 27. ] werden mir zu allem anderen noch die Parteinachrichten übertragen, denn mit Eröffnung des Reichstags wurde Grunw[ald] in die Fraktion aufgenommen.“ Max Grunwald wurde Sekretär der Fraktion. Sie wolle „in kurzer Zeit versuchen zu zeigen, wie man so eine Sache anpackt. Ich überlege heute und gestern die Form, die ich wähle.“ GB, Bd. 2, S. 234 f. Bereits in „Unsere Aufgabe“ hatte sie am 1. November 1905 zu dieser Rubrik erklärt: „Außerdem gedenken wir, nach und nach die Parteinachrichten weiter auszugestalten und neben der Registrierung der einzelnen Vorkommnisse in unserer Partei hin und wieder kurze kritische Referate über wichtigere in unserer Parteipresse auftauchende grundsätzliche und taktische Fragen zu bieten, so daß die Genossen – wenn auch aus Gründen des Raumes natürlich nur in beschränktem Maße – ein gewisses Bild des geistigen Lebens unserer Parteipresse erhalten.“ Siehe Rosa Luxemburg: Unsere Aufgabe. In: GW, Bd. 6, S. 598. In diesem Sinne gab sie dieser Rubrik ein neues Profil. Während bisher vorwiegend von Veranstaltungen der Parteiorganisationen berichtet, Resolutionen abgedruckt, Personalien und Traueranzeigen gegeben und über strafrechtliche Verfolgungen sozialdemokratischer Redakteure und Redner informiert wurde, legte Rosa Luxemburg Wert auf Meinungsäußerung zu Grundproblemen und auf kritische Kommentare zu Wortmeldungen aus den Parteiorganisationen und den Gewerkschaften. Solche Beiträge, die erkennbar die Handschrift Rosa Luxemburgs tragen, werden im folgenden zusammengefaßt abgedruckt.