Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 159

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Tätigkeit der französischen Sozialisten in den Generalräten

[1]

Der Generalrat des Norddepartements hat von den mitgeteilten „Wünschen“ unserer Genossen einstimmig denjenigen angenommen, der sich auf die Sicherstellung und Freiheit der Wahl bezieht. Im Generalrat des Departements Var gelangten die vier „Wünsche“ zur Annahme, welche der sozialistische Vertreter im Namen seiner Partei eingebracht hatte. Diese vier „Wünsche“ fordern: 1. Eine wirksame Arbeiterschutzgesetzgebung, insbesondere die Einführung des gesetzlichen Achtstundentags und eine Reorganisation der Fabrikinspektion. 2. Die Einführung der zweijährigen Dienstpflicht und Abschaffung des Einjährig-Freiwilligendienstes. 3. Die Abschaffung des bestehenden Steuersystems und die Einführung einer progressiven Einkommensteuer auf alle Einkommen, welche 3000 Francs übersteigen. 4. Gesetzliche Maßregeln, um das Wahlrecht und die Wahlfreiheit zu sichern. Die diesbezüglich erhobenen und angenommenen Forderungen entsprechen den betreffenden „Wünschen“ der Sozialisten im Generalrate des Norddepartements. Im Generalrate des Departements Herault wurden zwei von den „Wünschen“ angenommen, welche Genosse Euzet, der Maire von Cette, eingebracht hatte. Diese „Wünsche“ beziehen sich auf die Einführung der zweijährigen Dienstzeit und die Abschaffung des Einjährig-Freiwilligendienstes und auf die Reform des Steuerwesens in dem bereits mitgeteilten Sinne. Die wichtigsten „Wünsche“, welche unsere Genossen in den Generalräten verschiedener Departements eingebracht haben, sind vom „Nationalrat der Arbeiterpartei“, der Parteileitung der sogenannten Marxisten,[2] ausgearbeitet, im Auftrag der Partei in den departementalen Körperschaften formuliert worden. Es sind dies die „Wünsche“, welche sich nicht auf lokale Interessen beziehen, sondern gesetzliche Reformen für das ganze Land fordern.

Sächsische Arbeiter-Zeitung (Dresden),

Nr. 214 vom 15. September 1898.

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[1] Diese Notiz ist mit ♂, einem von Rosa Luxemburgs Zeichen, versehen. An Leo Jogiches hatte Rosa Luxemburg am 10. Juli 1898 geschrieben: „Mit Parvus [Redakteur der SAZ] habe ich die Beziehungen aufs beste hergestellt: Ich schreibe solche Notizen für ihn, wie Du sie dort hast, über Polen, Frankreich und Belgien. Sie geben mir 30 M im Quartal für das Zeitschriftenabonnement! Natürlich neben dem Honorar.“ Bei Gelegenheit wünsche er solche Notizen auch über England, Italien und die Türkei. Siehe GB, Bd. 1, S. 171.

[2] Die französische sozialistische Bewegung wies in den 90er Jahren des 19. Jh. eine kollektivistische, marxistische (Guesdisten), eine possibilistische, kleinbürgerlich-reformistische (Broussisten), eine blanquistische, sektiererische (Blanquisten), eine anarcho-syndikalistische (Allemanisten) und eine „unabhängige“ sozialreformerische (Jaurèsisten) Strömung auf.