Erklärung zum Parteistreit mit Gradnauer
[1]Die obige Notiz sollte in der „Sächs[ischen] Arb[eiter]-Ztg.“ erscheinen. Allein die Dresdener Preßkommission, die die Beschwerde Gradnauers abgelehnt hatte, glaubte seltsamerweise, mich an der Veröffentlichung der Notiz verhindern zu dürfen, trotzdem es sich um eine von mir gezeichnete Erklärung in einem von mir redigierten Blatte handelte, und zwar um persönliche Abwehr gegen die Anschuldigung, als hätte ich jemand das Wort abgeschnitten. Ich gab mir alle Mühe, der Kommission klarzumachen, daß ein solcher Beschluß eine unerhörte Verletzung meiner Rechte als Redakteur ist und mich zwingt, die Redaktion niederzulegen – die Kommission bestand auf ihrem Wort.[2]
Der angeführte Beschluß der Preßkommission hat aber nur den Anlaß zu meinem Austritt aus der Redaktion gegeben. Die eigentliche Ursache, die mich zu diesem Schritt bewogen hat, war die in derselben Sitzung ausgesprochene Absicht der Kommission, nicht nur die Aufnahme der eingesandten Artikel in der „Sächs. Arb.-Ztg.“ von dem Votum meiner vier Redaktionskollegen abhängig zu machen,[3] sondern sogar meine eigenen Artikel einer Zensur dieser selben Kollegen zu unterwerfen, die dann auch mit vereinigten Kräften alle „scharfen Stellen“ „auszumerzen“ hätten. Es wäre mir selbstverständlich nicht auf Kompetenzformalitäten angekommen, ebenso wenig auf diese oder jene Stellung innerhalb der Redaktion, wenn mir nur die Möglichkeit bewahrt geblieben wäre, meine Ansichten, sei es auch in meinem eigenen Namen, ungehindert zum vollen Ausdruck zu bringen. Sollte aber der erwähnte Wunsch der Preßkommission in Erfüllung gehen, so wäre mir – da selbstverständlich nicht davon die Rede sein kann, daß sich ein nicht ganz wahnsinniger Schriftsteller einer Majoritätszensur und ihrem „Ausmerzen“ unterzieht – auch diese Möglichkeit genommen.
Die Konsequenz wäre nur, daß ich die Verantwortlichkeit für die Leitung des Blattes tragen müßte, ohne diese Leitung tatsächlich auch entfernt ausüben zu können, und daß ich ferner als Redakteur der „Sächs. Arb.-Ztg.“ meinen Überzeugungen viel weniger dienen könnte denn als Mitarbeiter eines jeden beliebigen Parteiblattes.
[1] Überschrift der Redaktion.
[2] Die Sitzung der Preßkommission der Sächsische Arbeiter-Zeitung (Dresden) fand am 2. November 1898 statt.
[3] Sie meinte vor allem Emil Eichhorn, Emil Nitzsche und Heinrich Wetzker, die eine Erklärung gegen Rosa Luxemburg im Vorwärts vom 30. Oktober 1898 veröffentlicht hatten. Der vierte Kollege war Hermann Wallfisch.