Fünfter Parteitag der PPS in Berlin am 15. und 16. April 1900
I Resolution der Posener Parteiorganisation zu dem bevorstehenden Parteitag
[1]1. Die Sozialdemokratie Posens erklärt einstimmig, daß sie gänzlich auf dem gemeinsamen Boden mit der deutschen Sozialdemokratie steht, sowohl in Betreff der Endziele der Bewegung wie in Betreff der nächsten Aufgaben des politischen Kampfes. Sie ist der Ansicht, daß ein erfolgreicher Kampf zum Schutz der unterdrückten polnischen Nationalität vollkommen und einzig auf diesem Boden möglich ist.
Von diesen Erwägungen ausgehend, fordert die Sozialdemokratie Posens den Vorstand der Polnischen Sozialistischen Partei[2] auf, von nationalistischen Phrasen Abstand zu nehmen und alle seine Kräfte auf die Unterstützung der mächtig beginnenden Arbeiterbewegung in den polnischen Provinzen Deutschlands, d. h. im Posenschen und [in] Oberschlesien, zu richten.
2. Die Sozialdemokratie Posens erachtet die Beschlüsse der Parteitage der deutschen Sozialdemokratie als bindend für sich und nimmt an ihnen nach Kräften durch eigene Delegierte teil.[3]
Vorwärts (Berlin),
Nr. 78 vom 3. April 1900.
II. Diskussionsbeiträge am 15. April 1900
Nach einem Zeitungsbericht
Rosa Luxemburg wünscht, daß mehr in den eigentlichen polnischen Gegenden agitiert werde, da die Arbeiter in diesen Gegenden der Aufklärung bedürftiger seien als diejenigen, die sich in deutschen Städten zur Arbeit aufhalten.
[1] Überschrift der Redaktion.
[2] Am 10. September 1893 hatte sich die 1890 gegründete Vereinigung polnischer Sozialisten unter Führung von Franciszek Morawski und Franciszek Merkowski mit anderen polnischen sozialistischen Gruppen zur Polska Partia Socjalistyczna (PPS – Polnische Sozialistische Partei) des von Preußen annektierten Teiles von Polen konstituiert. Sie blieb bis 1903 autonomer Bestandteil der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
[3] Diese Resolution hatte Rosa Luxemburg eingebracht, nachdem sie die Zurücknahme einer anderen Entschließung durchgesetzt hatte, in der die Auflösung der PPS und der Übertritt der Mitglieder in die örtlichen deutschen Organisationen gefordert worden war, siehe GB, Bd. 1, S. 458. In der RL-Bibliographie von Feliks Tych, 1971 (Feliks Tych: Uzupelnienia do Bibliographii Prac [Pierwodruków] Rózy Luksemburg. In: Z pola walki 1971, Nr. 1), ist sie unter Nr. 28 verzeichnet.