Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 140

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-6/seite/140

Zur Bewegung der französischen Eisenbahner

[1]

wird uns von sachkundiger Seite geschrieben: „Der Nationalverband der Gewerkschaften der Eisenbahner von Frankreich und den Kolonien“, der fast 100000 Mitglieder zählt, „hat ein Programm von 15[2] Forderungen aufgestellt, welche den Direktionen der großen Eisenbahngesellschaften vorgelegt wurden. Diese Forderungen entsprechen den Beschlüssen, welche die gewerkschaftlich organisierten Eisenbahner auf ihren Kongressen von 1893, 1894 und 1895 ausgearbeitet und angenommen haben. Im folgenden das Programm: 1. Feste Anstellung der Arbeiter und Beamten nach Ablauf eines Dienstjahres; 2. Pensionsberechtigung aller Eisenbahner und Festlegung einer den Unterhalt deckenden Altersrente im Verhältnis zu dem Gehalt bzw. Lohn und der Länge der Dienstzeit; 3. Allgemeine Aufbesserung der Löhne und Gehälter; 4. Herabsetzung der übermäßig langen Arbeitszeit; 5. Abschaffung der 18- und 24-stündigen Arbeitszeit, welche dem Schichtwechsel bei Tag- und Nachtdienst vorangeht; 6. Festlegung eines Ruhetages pro Woche und 14tägige Ferien mit Fortdauer des Gehalts bzw. Lohnes für alle Eisenbahner; 7. Vollständige Einstellung des Betriebes der Güterbahnhöfe an Sonn- und Festtagen; 8. Abschaffung der Strafen und Verbot der sofortigen Entlassung von Arbeitern und Angestellten; 9. Beseitigung der Zwischenunternehmer, Abschaffung der Akkordarbeit, des Prämien- und Gratifikationssystems, entsprechende Erhöhung der Löhne und Gehälter; 10. Garantie für eine organische Beförderung im Dienste durch Maßregeln, welche jede Günstlingswirtschaft unmöglich machen; 11. Unentgeltliche Fahrt 2. Klasse auf allen Eisenbahnen; 12. Reform der sanitären Bedingungen und Maßregeln, den Forderungen der Hygiene und entsprechende Aufenthaltsräume für die Wachthabenden, Schlafsäle, Werkstätten, Büros etc., Fortzahlung des vollen Gehalts oder Lohnes an kranke oder verunglückte Eisenbahner; 13. Schaffung besonderer Gewerbeschiedsrichter für die Eisenbahner; 14. Verbot der Versetzung eines Beamten oder Arbeiters ohne dessen Einwilligung; 15. Reform der Dienst- bzw. Arbeitsordnung.“

Gegenwärtig herrscht bezüglich der festen Anstellung, der Durchführung der Dienstordnung, Versetzung, Beförderung, Disziplin etc. die schamloseste Willkür im Bunde mit einer ebenso schamlosen Vetternwirtschaft.[3] Die Alterspension der

Nächste Seite »



[1] Dieser Artikel ist mit ♂, einem von Rosa Luxemburgs Zeichen, versehen. An Leo Jogiches hatte Rosa Luxemburg am 10. Juli 1898 geschrieben: „Mit Parvus [Redakteur der SAZ] habe ich die Beziehungen aufs beste hergestellt: Ich schreibe solche Notizen für ihn, wie Du sie dort hast, über Polen, Frankreich und Belgien. Sie geben mir 30 M im Quartal für das Zeitschriftenabonnement! Natürlich neben dem Honorar.“ Bei Gelegenheit wünsche er solche Notizen auch über England, Italien und die Türkei. Siehe GB, Bd. 1, S. 171.

[2] In der Quelle: 13.

[3] In der Quelle: Vetterleswirtschaft.