Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 908

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die der Münchener Verlag nicht mit einem Wort reagiert. Ebenso wenig berührt er jetzt die Frage der verspäteten Sendung an die Parteibuchhandlung Vorwärts. Nach seinen eigenen „Büchern“ ist es nämlich klar, daß er gleichzeitig je ein Exemplar der Broschüre (selbstverständlich als Drucksache unter Kreuzband) an die bürgerlichen Redaktionen und 100 Exemplare (selbstverständlich als Paket) an die Buchhandlung Vorwärts geschickt hatte. Jedes Kind weiß aber, daß eine Drucksache unter Kreuzband rascher ankommt als ein Postpaket, und der Verlag der „Münchener Post“ wußte es auch ganz genau. Er hat also den bürgerlichen Gegnern das mit Jubel aufgenommene „tödliche Material“ gegen die Sozialdemokratie mit vollem Bewußtsein mit jener blitzartigen Geschwindigkeit apportiert, die von Mosse und Genossen dankbar quittiert wurde. Daran läßt sich nicht rütteln.

Angesichts dieser Tatsachen ist es unseres Erachtens eine Unverzeihlichkeit, wenn der Verlag der „Münchener Post“ noch überhaupt den Mut findet, irgendwelche „Erklärungen“ abzugeben. Er hat alle Ursache, über die rühmliche Geschichte seiner letzten Leistung auf dem Gebiete der sozialdemokratischen Broschürenliteratur so rasch wie möglich Gras wachsen zu lassen.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 296 vom 19. Dezember 1905.

Aus der Geschichte eines Parteiblattes

Dieser Tage waren 20 Jahre vergangen, seitdem die erste Nummer des „Peuple“, unseres Brüsseler Bruderorgans erschienen ist. Der Genosse Louis Bertrand nimmt diese Gelegenheit wahr, um im „Peuple“ in humorvoller Weise seine Erinnerungen aus jener Zeit der Gründung des Blattes zum Besten zu geben. Vor jener Zeit hatten schon mehrere sozialistische Blätter bestanden, so die „Voix de l’Ouvrier“, die spätere „La République“, diese waren aber alles nur Wochenblätter, die auch nur ein kümmerliches Dasein führten. Es entstand nun der Wunsch, ein Tageblatt zu besitzen; der Vorstand der Arbeiterpartei beschloß, die vorgenannten, von Volders, De Paepe, Bertrand usw. redigierten Blätter eingehen zu lassen und ein Tageblatt unter dem Namen „Le Peuple“ herauszugeben. Beschlossen war die Gründung, aber, so erzählt Bertrand weiter, wir waren alle arme Teufel, Vertreter von Arbeitervereinigungen, die ebenfalls nichts besaßen. Unter uns war ein Buchdrucker namens Vanderlinden, der etwas Material für eine Setzerei besaß, das er gegen Abzahlung zur Verfügung stellte. Um Gelder zu beschaffen, wurde eine Kooperativgenossenschaft gegründet und Aktien zu 10 Fr., zahlbar in monatlichen Raten von je 1 Fr. ausgegeben. Einige Arbeitervereine entnahmen Aktien und es kamen etwa 200 bis 300 Fr. zusammen. Geschäftsführer des neugegründeten Blattes wurde Joseph Milot, ein Kutscher, Besitzer eines Wagens und eines Pferdes. Dieser mußte in seiner Eigenschaft als Ge-

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