Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 902

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senstreiks diskutiert und unsere Jugend in dem Gedanken, daß der Generalstreik jeden Tag eintreten kann, erzogen werden.

Der obige Bericht, den wir im „Offenbacher Abendblatt“ finden, beweist deutlich, daß es sich um typische anarchistische Redensarten handelt, die nur geeignet sind, Konfusion statt Aufklärung zu verbreiten. Charakteristisch ist, daß sich die Anarchisten als „Genossen“ einschmuggeln, um unter dem Schilde der Sozialdemokratie das allgemeine Interesse für das Thema des Massenstreiks für sich zu fruktifizieren.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 292 vom 14. Dezember 1905.

Sisyphusarbeit

Der „Grundstein“ setzt die Hetze gegen die Partei fort, und zwar unter dem Titel „Der Radikalismus an der Arbeit“. Wir brauchen nicht erst zu bemerken, daß das Leitmotiv dieses Elaborats die vermeintliche Feindschaft gegen die Gewerkschaften ist, die man in gewissen Kreisen mit Fleiß und Ausdauer, die eines edleren Zweckes würdig wären, den „radikalen“ Sozialdemokraten anzudichten sucht. Der „Grundstein“ eignet sich dabei die auf allen Seiten in der Partei mit respektwidrigem, wenn auch diskretem Lächeln aufgenommenen Kassandrarufe der Genossen Frohme, Elm und Lesche[1] gegen die „jedes realistische Denken vermissen lassende Revolutionsromantik“ an. Insbesondere aber soll diesmal das folgende „Material“ herhalten: Nach einigen Zeitungsberichten soll Frau Rosa Luxemburg in ihrem Leipziger Vortrage die gewerkschaftliche Arbeit geradezu als „Sisyphusarbeit“, als völlig nutzloses Mühen bezeichnet haben. Nun, wie sie über die Gewerkschaften denkt, ist ja längst bekannt. Die „Leipziger Volkszeitung“ veröffentlichte im Januar 1903 einen Artikel von ihr, in dem es wörtlich heißt:

„Man hat häufig die politische und die gewerkschaftliche Organisation als die beiden gleichberechtigten und einander ergänzenden Teile der proletarischen Klassenbewegung bezeichnet. Diese Auffassung ist schon aus dem Grunde falsch, weil die gewerkschaftliche Bewegung gar keine Klassenbewegung ist. Sie organisiert den Arbeiter nicht als Arbeiter im Allgemeinen, nicht als Glied seiner Klasse, sondern im Gegenteil, als Arbeiter im speziellen, als ein Glied seines Standes, als Buchdrucker, Schreiner, Bildhauer. Die Gewerkschaftsbewegung ist als solche nicht nur keine Klassenbewegung, sondern das Gegenteil einer Klassenbewegung; an die Stelle des Solidaritätsgefühls mit dem Genossen setzt sie das Solidaritätsgefühl mit dem Kollegen. Ihrer ganzen Natur nach ist sie beschränkt auf einen kleinen Bruchteil der arbeitenden Massen, und zwar auf ihren bestbezahlten und geistig entwickeltsten. Sie ist die Bewegung der Arbeiteraristokratie, nicht der Arbeiterklasse. Sie steht nicht in einem

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[1] Gemeint ist die Zuschrift von Adolph von Elm, Karl Frohme und Friedrich Lesche vom 23. November 1905 an das Hamburger Echo. Sie betrachten sich als diejenigen, die im Sinne der Jenaer Massenstreikresolution und der Mehrheitsauffassung in der Partei handeln, wenn sie die neue Richtung, wie sie die revolutionären Sozialdemokraten einschließlich Rosa Luxemburgs nennen, einer „für die Partei geradezu verderblichen Revolutionsromantik“ bezichtigen. Sie behaupten, die Linken suchten die Jenaer Massenstreikresolution dahin zu deuten, „als sei die Partei auf den politischen Massenstreik bereits derart festgelegt, daß man sich auf ihn allen Ernstes heute oder morgen schon einzurichten habe und jeden, der ihre Revolutionsromantik nicht mitmacht, als ‚Flaumacher‘, als Revisionist, als ‚Verhöhner des revolutionären Geistes‘ in der Partei, als ‚Auch-Sozialist‘ verdächtigt und ihn dadurch in der Wirksamkeit seiner Tätigkeit in der Arbeiterbewegung lahmzulegen sucht“. Sie unterstellen der neuen Richtung, insbesondere Rosa Luxemburg, die gewerkschaftliche Arbeit als „Sisyphusarbeit“ abzutun und die parlamentarische Arbeit zu entwerten. Siehe Hamburger Echo Nr. 275 vom 24. November 1905.