Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 128

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jektiven, streng wissenschaftlichen Charakter tragen würden. Bürgerliche Blätter billigen diesen Beschluß der Universität und fügen noch von sich aus die Bemerkung hinzu, daß der Sozialismus eigentlich überhaupt keine Ansprüche auf einen Lehrstuhl machen könne, da er keine Wissenschaft, sondern „sentimentale Metaphysik“ sei! … Und dabei erfreuen sich die Vertreter der bürgerlichen Intelligenz in Frankreich, die über die Wissenschaftlichkeit des Sozialismus urteilen wollen, notorisch einer so gründlichen Unwissenheit in bezug auf die sozialistische Theorie, wie vielleicht in keinem anderen Lande. –

Zur Dreyfus-Affäre.[1] Die „Aurore“ veröffentlicht ein neues Faksimile Esterhazys, um die Identität seiner Schrift mit der Schrift des Bordereaus zu beweisen. –

Nach der „Petite République“ suspendierte der Unterrichtsminister Bourgeois den Professor Stapfer von Bourdeaux auf sechs Monate. (Stapfer hat bekanntlich beim Begräbnis des Rektors Couat eine Rede gehalten, in der er mitteilte, der Gram über die Schmach seines Landes habe den Tod Couats beschleunigt; was nachträglich durch die Veröffentlichung eines Briefes, den Couat wenige Tage vor seinem Tode schrieb, bestätigt wurde.)

Zola ist vorläufig aus der Liste der Ehrenlegion gestrichen worden.

Sächsische Arbeiter-Zeitung (Dresden),

Nr. 174 vom 30. Juli 1898.

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[1] Der französische Generalstabsoffizier jüdischer Abstammung Alfred Dreyfus war 1894 wegen angeblichen Landesverrats zu lebenslänglicher Deportation verurteilt worden. Proteste fortschrittlicher Kreise erzwangen die Wiederaufnahme des Verfahrens im August 1899. Dreyfus wurde erneut verurteilt, jedoch im September 1899 begnadigt. Er mußte 1906 rehabilitiert werden, als sich die Anklage als Fälschung erwiesen hatte. Die Dreyfus-Affäre führte zur Zuspitzung des politischen Kampfes zwischen Republikanern und Monarchisten und brachte Frankreich an den Rand eines Bürgerkrieges. Innerhalb der Arbeiterbewegung traten im wesentlichen die Sozialisten um Jaurès für eine aktive Beteiligung am Kampf gegen die großbürgerliche chauvinistische Reaktion auf, während die Guesdisten in einem Aufruf vom Juli 1898 das Proletariat aufforderten, sich aus dieser Auseinandersetzung herauszuhalten, weil sie die Meinung vertraten, die Dreyfus-Affäre ginge die Arbeiterklasse nichts an.