Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 763

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tation und der „polnischen Gefahr“ aufgefordert wird, da dieselbe weiter nichts bezwecke, als die Vernichtung des gesamten russischen Reiches. Bei den Bauern wird der Schwindel übrigens nicht verfangen. Der Muschik weiß ganz gut, was er will.

Die Forderungen der Marine

Wie aus Odessa gemeldet wird, forderten die Matrosen in Sewastopol folgendes: Aufhebung des Todesurteils, Erhöhung der Gage, vierjährige Dienstzeit und Einberufung einer Konstituierenden Versammlung. Die hiesige Garnison ist unruhig.

Die Zentralbehörden beider Fraktionen der russischen Partei haben an das Internationale Sozialistische Büro folgenden Brief gesandt:

Werte Genossen! Die große russische Revolution befindet sich in sehr ernster Lage. Die Regierung versucht das schon 1863 erprobte Werkzeug der Reaktion zur Anwendung zu bringen. Auf die Forderung des polnischen Volkes nach einer für die freie kulturelle Selbstbestimmung unentbehrlichen Autonomie hat die Regierung des Zaren mit einem Belagerungszustand in ganz Polen geantwortet. Damit beabsichtigt sie, den nationalen Haß zwischen Rußland und Polen zu schüren und mit Hilfe des Chauvinismus die Revolution zu erschlagen. Diese Politik des Zarismus findet durch die anderen halbabsolutistischen Mächte Unterstützung. Die preußische Regierung Wilhelms II. mobilisiert ihre Armee an ihrer östlichen Grenze, und es ist ernstlich zu befürchten, daß dieses Heer zur Knechtung des polnischen Volkes nach Rußland gesandt wird.

Die Sache der russischen Revolution, die Sache der ganzen Menschheit ist in Gefahr! Das Proletariat Rußlands unterstützt durch einen energischen Protest gegen die ihnen angetane Gewalt seine polnischen Brüder.

Wir ersuchen Sie, werte Genossen, uns mitteilen zu wollen, welche Maßregeln Sie zur Verhütung dieser Gefahr und zur Unterstützung des russischen Volkes zu treffen beabsichtigen, falls diese Gefahr eintritt.

Mit parteigenössischem Gruß!

Das Zentralkomitee und die Organisationskommission

der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands.

Ein ähnlich lautendes Schreiben ist auch an den Vorstand der deutschen Partei ergangen.

Es ist ja klar, daß das Internationale Sozialistische Büro ebenso wie der deutsche Parteivorstand nur ihre tiefste Entrüstung über diesen, wie über alle Gewaltakte des Absolutismus aussprechen können. Das wirksamste Mittel gegen die Spekulation der zaristischen Regierung auf die Entfesselung nationaler Gegensätze haben ja die russischen und polnischen Proletarier selbst in der Hand – in ihrer geschlossenen brüderlichen Klassensolidarität, die sie auch bis jetzt schon dem Chauvinismus ihrer herrschenden Klassen so glücklich entgegengesetzt haben. Auch diesmal hat ja diese

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