Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 677

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Bewertung, in der historischen und praktischen Lösung dieser Frage einzutreten [sic!] ist wohl zu beachten.

In Rußland erleben wir augenblicklich eine andere Lösung der Frage des Kampfes. Das Wort Revolution war vor wenigen Jahren, noch vor einem Jahre, trotz der dort herrschenden grauenhaften Zustände in Rußland, genauso ein unwesentliches Faktum als bis vor kurzer Zeit in Deutschland das Wort Massenstreik. Trotzdem in Rußland sich die grauenhaftesten Zustände auf sozialem und politischem Gebiete furchtbar zuspitzten, war das Wort Revolution für unsere Sozialdemokraten, die wir dazu berufen und gezwungen sind, das Wort zu predigen und in die Massen zu schleudern, unbekannt, ich will sagen ein hohler Ton. Solche Erscheinungen beweisen, daß in den sozialen Verhältnissen selbst ein plötzlicher gewaltiger Umstand, eine Verschiebung in den Klassenverhältnissen, eine Verschiebung der sozialen Gegensätze stattgefunden haben, und das soll man wohl beachten.

Wenn wir heute in Deutschland eine analoge Erscheinung sehen, wie dieselben Massen, die noch vor wenigen Monaten das Wort politischer Massenstreik an sich vorbeigehen ließen, sich absolut uninteressiert, passiv verhielten, wenn dieselben Massen jetzt mit Feuer und Flammen sich der Lösung dieser Frage zuwenden, ob für oder gegen die Frage ist gleich, das Interesse selbst, für die Diskussion, für die Aufklärung des Wesens dieses Problems ist vorhanden. Die Arbeitermassen fühlen instinktiv den Boden unter ihren Füßen wackeln, sie fühlen eine gewaltige Verschiebung mit einem Ruck vor sich, sie fühlen, daß wir großen, kolossalen, neuen Kämpfen, gefährlichen Situationen entgegengehen, und sie suchen nach neuen gewaltigen Mitteln zu tasten und zu greifen.

Wenn man das alles von verschiedenen Gesichtspunkten beobachtet, so wird ein solcher sozialer Beobachter ihnen sagen, daß es nichts als eine lächerliche Besserwisserei und Vertuschung, eine Selbstüberhebung ist, wenn sich Genossen, sogar große Parteigrößen, auf dem letzten Gewerkschaftskongreß in Köln gefunden haben, die glaubten, durch eine Resolution von 10 Zeilen ein solch gewaltiges neues Problem des politischen Lebens hinweg diktieren zu können. Ist es nicht eine klägliche Überschätzung des sog. Teilwillens, des Verfügungsrechts eines Menschen, auch wenn er Sozialdemokrat ist. Also wenn man glaubt, durch Annahme einer Resolution ein neu auftauchendes Problem hinwegbringen zu können, der irrt sich gewaltig. Durch eine Resolution den Arbeitern zu verbieten, sich mit solch wichtiger Frage zu befassen, die Köpfe einer Dreimillionen-Partei zu verwirren, wenn sie sich mit neuen Problemen beschäftigen, da muß man ein Bedauern für haben. Aber hier hat sich so viel erwiesen, daß die klassenbewußten Arbeiter in ihrem gesunden Instinkt viel sicherer sind als ihre Führer. (Sehr richtig!) Sie wenden sich doch der Aufklärung dieser Frage zu.

Das Interesse an dieser Frage ist nicht durch künstliche Mittel hervorgerufen, und das beweist, wie notwendig es ist, daß in eine Prüfung und Diskussion eingetreten werden muß. Wir haben augenblicklich Erscheinungen in unserem politischen und öffent-

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