lichen Ringens, des parlamentarischen Sumpfes beiseite zu lassen, die Masse zu erziehen zu ihrer Aufgabe, sie bewußt zu machen ihrer Aufgabe, sie zu mahnen: Bereit sein ist alles!
Hamburger Echo,
Nr. 269 vom 16. November 1905.
II Nach einem Polizeibericht
Werte Anwesende, Genossinnen und Genossen!
Wir finden in der letzten Zeit eine eigenartige Erscheinung in unserem Parteileben, eine Erscheinung, von der man sagen könnte, sie ist über Nacht, ganz plötzlich gekommen. Es ist eine neue Frage in der deutschen klassenbewußten Arbeiterschaft wach geworden, die bis dato durchaus nicht das Interesse der deutschen Sozialdemokraten erregen konnte. Ich meine damit die Frage, die heute von uns behandelt werden soll.
Die Frage des politischen Massenstreiks ist durchaus nicht neu, denn bereits vor 15 Jahren schon war sie ein Gegenstand lebhafter Erörterung auf dem internationalen Sozialistenkongreß.[1] Desgleichen hat man sich in den romanischen Ländern Frankreich, Spanien, Italien usw. vor einem Jahre mit dieser Frage beschäftigt, und zwar außerordentlich lebhaft beschäftigt, ja man hat sogar noch vor wenigen Jahren in Belgien die praktische Lösung dieser Frage erlebt.[2] Noch vor wenigen Monaten hat man in Deutschland die Beobachtungen machen können, daß man die Frage des politischen Massenstreiks als etwas gänzlich Unhaltbares für die deutsche Sozialdemokratie betrachtete, als etwas, was vielleicht in den romanischen Ländern am Platze sei, aber nicht für Deutschland passe. Die Frage wurde als unwesentlich betrachtet und behandelt, nicht einmal eine Erörterung dieser Frage, sei es in historischer oder praktischer Hinsicht, sollte geschehen. Erst vor ganz kurzer Zeit beobachtete man ein lebhaftes Interesse für diese Frage bei den klassenbewußten Arbeitern, in Versammlungen, in der Presse fanden Erörterungen statt, ja diese Frage ist zum Teil Gegenstand einer Beschlußfassung in unserer obersten Parteiinstanz geworden. Eine solche Erscheinung, ein solcher plötzlicher Umstand in der Bewertung, in der politischen
[1] Gemeint ist der Internationale Arbeiterkongreß in Paris, der Gründungskongreß der II. Internationale, der vom 14. bis 20. Juli 1889 tagte.
[2] In Belgien hatte am 14. April 1902 ein Massenstreik für das allgemeine Wahlrecht begonnen, an dem sich über 300000 Menschen beteiligten. Er wurde am 20. April 1902 vom Generalrat der Belgischen Arbeiterpartei abgebrochen, obwohl die Forderungen nach Änderung des Wahlrechts und der damit verbundenen Verfassungsänderung am 18. April 1902 von der belgischen Kammer abgelehnt worden waren. Siehe dazu auch Rosa Luxemburg: „Eine taktische Frage“, „Das belgische Experiment“, „Und zum dritten Mal das belgische Experiment“. In: GW, Bd. 1, 2. Halbbd., S. 181 ff., 212 ff. und 229 ff.