Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 648

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schen Hetzer[1] wie die „großpolnische Bewegung“ in Posen und Oberschlesien. Die hakatistische Reaktion weiß sehr wohl, daß die „nationaldemokratisch-pfäffisch-antisemitische“ Richtung in Russisch-Polen genauso der Sache der Konterrevolution dient wie die Korfanty-Partei in Oberschlesien, die ja in dem jüngsten Wahlkampf in Kattowitz als stärksten Trumpf gegen die deutsche Sozialdemokratie den Vorwurf ausspielte, sie unterstütze die „blutigen Ausschreitungen der russischen Revolution“![2] Wenn deutsche Truppen tatsächlich an der russischen Grenze mobilisiert werden sollten, so wäre dies nicht als eine Vorsichtsmaßregel gegen die vorgeschützte „großpolnische Gefahr“, sondern als eine äußerst unvorsichtige Provokation gegenüber der proletarischen Revolution in Rußland und in Russisch-Polen zu betrachten, über die die deutsche Arbeiterschaft mit Nachdruck Rechenschaft fordern müßte.

Ein Nachklang der Königsberger Schmach

Unser Königsberger Parteiblatt schreibt: Ironie der Weltgeschichte. Wie Genosse Skubik telegraphisch meldet, ist er in Riga aus der Gefängnishaft befreit worden. Die Verhandlung gegen ihn sollte in der nächsten Zeit in Petersburg stattfinden. Nun ist der „gefährliche Hochverräter“ frei, während hier in Preußen die Personen, die ihm angeblich in seinem „hochverräterischen Treiben“ unterstützt haben, sich hinter Schloß und Riegel befinden. Die Genossen Mertins-Tilsit und Pätzel-Berlin verbüßen gegenwärtig ihre dreimonatliche Gefängnisstrafe, die ihnen im Königsberger Prozeß,[3] der zur Rettung des russischen Absolutismus angestrengt war, zudiktiert wurde. Schon damals erlitten die Freunde des Zaren eine schwere Niederlage. Jetzt durch die Befreiung des Genossen Skubik ist sie noch vernichtender geworden. So mußte es kommen.

Für die russische Revolution

Sonnabend fand in Amsterdam im Volkspalast eine grandiose Sympathie-Kundgebung für die russische Revolution statt. Die Versammlung, welche von 5000 Personen besucht war, nahm einstimmig folgende Resolution an: „Die Versammlung begrüßt das gegen den Absolutismus heldenhaft kämpfende russische Proletariat als neuen Bundesgenossen im Kampfe der Arbeiter aller Länder gegen die kapitalistische Gesellschaft und ruft die Arbeiterschaft Niederlands zur kräftigen finanziellen Unterstützung der Revolution im Zarenreich auf.“

London, 6. November. Gestern fand bei Nebel und Regen eine ziemlich starke Demonstration im Trafalgar Square statt, die von der Sozialdemokratischen Föderation einberufen war, um die Sympathie der englischen Arbeiter mit ihren kämpfenden Brüdern in Rußland kundzugeben. Folgende Resolution wurde angenommen: „Die

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[1] Bei den Hakatisten handelt es sich um den 1894 gegründeten Verein zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken, ab 1899 Deutscher Ostmarkenverein, nach den Anfangsbuchstaben seiner Gründer, Ferdinand von Hansemann, Hermann Kennemann und Heinrich von Tiedemann-Seeheim, auch Hakatistenverein genannt. Er vertrat eine rücksichtslose wirtschaftliche und politische Unterdrückungspolitik gegenüber den Polen in den östlichen Provinzen des Deutschen Reiches und strebte die territoriale Expansion nach dem Osten an.

[2] Siehe Rosa Luxemburg: Zur Wahl in Kattowitz-Zabrze. In: GW, Bd. 6, S. 564 ff.

[3] Vom 12. bis 25. Juli 1904 fand in Königsberg ein Prozeß gegen neun deutsche Sozialdemokraten statt, die wegen des Transportes illegaler, gegen den Zarismus gerichteter Schriften nach Rußland angeklagt wurden. Karl Liebknecht als einer der Verteidiger entlarvte vor allem die Zusammenarbeit der preußischen und russischen Geheimpolizei. Zusammen mit Hugo Haase, Ernst Fleischmann und weiteren Rechtsanwälten erreichte er, daß das Gericht am 25. Juli 1904 die neun Angeklagten von der Anklage des Hochverrats und der Zarenbeleidigung frei sprechen mußte. Drei Angeklagte wurden wegen „Geheimbündelei“ verurteilt.