Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 647

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Die Judenmetzeleien

Wie aus Bukarest gemeldet wird, dauern die Gewalttaten gegen die Juden in Bessarabien fort. Eine Stadt ist durch Feuer vollständig zerstört, alle jüdischen Einwohner sind umgekommen. Die Stadt Ismaila an der Donau steht in Flammen.

London, 8. November. Nach vertrauenswürdigsten russischen Quellen berechnet man die Anzahl der bei den Unruhen in Südrußland getöteten Juden auf 15000, die der verwundeten auf gegen 100000.

Petersburg, 7. November. Wittes erste Amtshandlung als Ministerpräsident war die Entlassung von elf Gouverneuren, in deren Amtsbezirken die judenfeindlichen Unruhen in der schlimmsten Form aufgetreten waren.

Die Revolution marschiert weiter

London, 8. November. Die finnischen Städte Uleaborg, Christinestad, Jacobstad, Nikolaistad und Nystad sind nach einer Petersburger Meldung der „Daily Mail“ in den Händen der Aufständischen. Die russische Besatzung der Festung Sveaborg ergab sich ohne Schwertstreiche.

Im Kaukasus

Batumi, 7. November. (Meldung der „Petersburger Telegraphen-Agentur“.) Läden und Comptoire sind geschlossen. Die Zöglinge aller Schulen bleiben dem Unterricht fern. Von sozialdemokratischer Seite wird behauptet, daß bei der Zerstörung der Schienenwege auf der Station Sadjevacho durch Soldaten 18 Personen getötet und vier verwundet wurden.

Am 2. November griff die Volksmiliz in dem Orte Nassakwirali den von 120 Kosaken begleiteten Bezirkschef an. Der Kampf dauerte 17 Stunden. 105 Kosaken fielen. Die Polizeibeamten des Ortes wurden sämtlich getötet. Von der Miliz fielen nur vier Mann.

Warschau, 8. November. (Privattelegramm des „Vorw[ärts]“) Die „klerikale“ und „nationaldemokratische“ Agitation gegen die Sozialdemokratie wird immer heftiger. Arbeiterversammlungen werden durch Tumult der „Nationalen“ unmöglich gemacht. Trotzdem erklärt sich die Arbeiterschaft für die Fortsetzung des Kampfes.

Hakatistische Faseleien

Die bürgerliche Presse faselt von einer „großpolnischen Agitation“, die angeblich in Russisch-Polen gegenwärtig wüte und begründet damit eine gerüchtweise verbreitete Nachricht, wonach die Kommandostellen der Truppen an der Ostgrenze, in Oberschlesien, schon vor einiger Zeit angewiesen worden seien, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, „um etwaige großpolnische Unternehmungen auf preußischem Boden schon im Keime zu ersticken“.

Der Vorwand ist jedenfalls äußerst ungeschickt gewählt, denn die „großpolnische Agitation“ Russisch-Polens ist ebenso eine Ausgeburt der blutigen Phantasie der hakatisti

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