Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 514

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Baumwolljobber in Liverpool und der Spindelfabrikant in Oldham als Verkäufer gegenüber, du ihnen als Käufer; sie repräsentierten Ware, du Geld – ganz dasselbe Verhältnis, worin wir augenblicklich die Ehre oder den Verdruß haben, einander gegenüberzustehen. Hätten dich der geriebene Baumwolljobber und dein jovialer Kollege von Oldham nicht ausgelacht, wenn du die Forderung gestellt, sie sollten dir einen Teil Baumwolle und Spindel umsonst ablassen, oder, was dasselbe, dir diese Waren unter ihrem Preise (und ihrem Werte) verkaufen, weil du ihre Ware in Geld, sie dir aber Geld in Ware verwandelten, weil sie Verkäufer, du Käufer? Sie riskierten nichts, denn sie bekämen das bare Geld, den Tauschwert in reiner, selbständiger Form. Dagegen du, welches Risiko! Erst aus Spindel und Baumwolle Garn machen, alle Risikos des Produktionsprozesses durchlaufen und dann schließlich das Risiko, das Garn wieder zu verkaufen, es in Geld zurückzuverwandeln! Das Risiko, ob es zu seinem Werte, über oder unter seinem Werte sich verkaufen wird! Das Risiko, es gar nicht zu verkaufen, es gar nicht in Geld zurückzuverwandeln. Das Garn als solches interessiert dich blutwenig. Du ißt nicht Garn, du trinkst es nicht, du hast gar keine Verwendung dafür als die, es zu verkaufen. Und, meinst du, jedenfalls müsse dir der Zeitverlust bezahlt werden, den du aufwenden mußt, das Garn wieder in Geld zu verwandeln, also damit Spindel und Baumwolle in Geld zu verwandeln! Altes Haus, würden dir deine Kollegen antworten, mach dich nicht lächerlich und sprich keinen Unsinn. Was, zum Teufel, kümmern wir uns darum, was du mit unserer Baumwolle und unserer Spindel vorhast! Verbrenne sie, schmeiß sie weg, tu damit, was du willst, aber bezahl sie! Welche Idee! Wir sollen dir ein Geschenk von unseren Waren machen, weil du dich als Baumwollspinner aufgetan hast und dich in dem Geschäftsleben nicht zurechtzufinden scheinst, da du dir seine Risikos und Gefahren so vergrößerst! Gib deine Baumwollspinnerei auf oder komm nicht auf den Markt mit so verkehrten Ideen!“

Auf diese Apostrophe der Arbeiter erwidert der Kapitalist vornehm lächelnd: „Man sieht, daß ihr Leute was habt läuten hören, aber nicht wißt, wo die Glocke hängt. Ihr sprecht von Dingen, die ihr nicht versteht. Glaubt ihr, ich habe dem Liverpooler Kerl und dem Oldhamer Burschen bares Geld gezahlt? Nicht einen roten Heller! In Wechseln habe ich sie gezahlt und die Baumwolle des Liverpooler Kerls war tatsächlich versponnen und verkauft, ehe sein Wechsel fällig wurde. Mit euch ist das was ganz anderes. Ihr wollt bares Geld haben.“

„Ganz gut“, sagen die Arbeiter, „und was taten der Liverpooler Kerl und der Oldhamer Bursche mit deinen Wechseln?“

„Was sie damit taten?“ erwidert der Kapitalist. „Dumme Frage! Sie deponierten sie bei ihren Bankiers und bekamen sie dort ausbezahlt.“

„Wie viel zahlen sie dafür dem Bankier?“

„Wie viel? Geld ist jetzt sehr billig. Ich denke, sie zahlten etwa 3 Prozent Diskonto; das heißt nicht 3 Prozent der Summe, sondern soviel für die Zeit, auf die der Wechsel lautete, als einem Satze von 3 Prozent für das ganze Jahr entsprach.“

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