Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 488

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Nachdem sich die Referentin gegen die Ausführungen Krügels gewandt u. die Wähler aufgefordert hatte, am 16. Juni d. J. nur den sozialdemokratischen Abgeordneten Ignatz Auer zu wählen, schloß der Vorsitzende ½12 Uhr die Versammlung.

Die Versammlung war von ungefähr 250 Personen beiderlei Geschlechts besucht.

Akten des Stadtrats Glauchau, öffentliche Versammlungen betreffend.

Kreisarchiv Zwickau, Glau I 181, Bl. 155-156 R.

III Rede am 14. Juni 1903 in einer Volksversammlung in Adorf[1]

Nach einem Polizeibericht

Vor etwa 20 Jahren haben hinsichtlich der Reichstagswahlen andere Verhältnisse bestanden, denn damals konnte der Wähler alle drei jetzt aber nur noch alle fünf Jahre wählen. Diese Änderung habe im Jahre 1887 die Kartellmehrheit, die bessere Gesellschaft, herbeizuführen verstanden.[2] Um so mehr sei es größere Pflicht des Wählers, vernünftigen u. nützlichen Gebrauch von dem Wahlrechte zu machen. Sie verbreitete sich hierauf auf die Getreidezölle, Viehzölle, Militär- und Marine-Ausgaben, Kolonialpolitik. In dieser Beziehung brachte sie gegen ihre früheren Redner nichts Neues vor. Nur sei erwähnt, daß der Zoll für Roggen um 42 Prozent erhöht, für Weizen um 57 Prozent, für Hafer um 80 Prozent u. für Gerste um 100 Prozent erhöht worden sei, so daß z. B. eine fünfköpfige Familie an Brotzoll 45 M jährlich zahlen muß, was der Arbeiterfamilie sehr schwer falle bei den niedrigen Löhnen. In der Arbeiterbevölkerung herrsche lauter Elend. Derselben werde infolge der hohen Preise der Fleischgenuß ungenügend [sic!] gemacht. Sei doch der Zoll für eine Kuh von neun auf 81 M, für ein Schaf von einer auf neun M, für ein Schwein von sechs auf 27 M, für einen Ochsen von 30 auf 135 M erhöht worden. Hierbei erzählte sie das Märchen, das Bl. 109 erwähnt ist, über den verstorbenen Knaben.

Die Zölle haben für 77 Prozent der Landwirte keinen Nutzen, den Riesenanteil habe nur ½ Prozent der Landwirte, das seien die Großgrundbesitzer. Hierdurch könnten die 46 Großgrundbesitzer in Deutschland ihr Einkommen um 400.000 M erhöhen. Wenn nicht dafür gesorgt werde, daß die bevorstehende Reichstagswahl ein anderer Reichstag zusammengesetzt wird, der das scheußliche Verbrechen (Getreidezölle) beseitigt, so sei ein Zollkrieg mit Österreich etc. unvermeidlich. Durch die Getreidezölle werde der Grund u. Boden der Großgrundbesitzer in seinem Werte um 16 Milliarden Mark gesteigert.

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[1] Überschrift der Redaktion.

[2] Siehe S. 283, Fußnote 5.