einem Soldaten niedergestochen wurde. Der Soldat wurde freigesprochen, weil man angenommen hat, daß ihm der Kaufmann in den Dolch gelaufen ist. Ein Gegenstück von der nämlichen Justiz! … Es war im Jahre 1899, als von Arbeitern ein großer Frevel begangen ist, die nur einen Unternehmer mit Prügel traktierten, die ihm jedoch gar nichts geschadet haben. Und wie lautete dies Urteil?[1] 53 Jahre Zuchthaus, 8 Jahre Gefängnis und 70[2] Jahre Ehrverlust!! Vergleichen Sie diese drei Urteile miteinander, so werden Sie ein Bild von der deutschen Justiz bekommen, die sagt, daß jeder deutsche Untertan mit gleichem Maße gemessen wird. Für die Reichen hat sie Liebesgaben, für die Arbeiter Zuchthausvorlagen.
So ist es hohe Zeit, daß sich das deutsche Volk zusammenschließt. Kann es so weitergehen, wie es geht und gegenwärtig steht? Ich erlaube mir die Frage an die Anwesenden, wollen wir es uns gefallen lassen und das Joch ertragen oder aber, wollen wir einen Krieg auf Tod und Leben erklären? – Wenn Sie andere Zustände erleben wollen, so haben Sie die Macht in den Händen, indem Sie bei der bevorstehenden Reichstagswahl Ihre Stimme nach Ihrem Herzenswunsche abgeben. Geben Sie Ihre Stimme vielleicht dem Konservativen Zindler, dann werden Sie zum Dank erleben, daß Sie bald gar nichts mehr sind, wie es ja auch der Wunsch dieser Partei ist. Geben Sie dieselbe Ernst, dem Freisinnigen! Nachdem, was wir erlebt haben, ist dieser schwach in sittlicher Korruption. Richter hat sich in der Nation prostituiert. Er hat sich zwar gegen die Zölle aufgelehnt, aber mit der linken Hand für die Kolonial- und Militärvorlage gestimmt. Wollen Sie dieses haben, dann wählen Sie ihn, Sie haben dann einen Mann im Reichstag mehr, der mit Ja und Amen für Militär stimmt. Wenn Sie diesem jedoch abhelfen wollen, so wollen Sie ihre Stimme dem Sozialdemokraten Gogowski aus Posen geben. Die Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die immer das Beste für den Arbeiter im Auge hat. Alle bürgerlichen Klassen von A bis Z sind in demselben [Reichstag] vertreten. um so mehr müssen wir dem Gogowski unsere Stimme geben; er muß der Vertreter der Arbeiter werden. Es wird seine Pflicht sein, andere Zustände hier zu schaffen und endlich das niemals verwirklichte Wort von der Gleichheit in Deutschland zu verwirklichen helfen. Sie wissen nun, wie Sie sich zu verhalten haben. Wenn man den Herren aufs Wort glaubt, dann können Sie glauben, daß für sie ein Paradies auf Erden besteht. Nach fünf Jahren in Berlin sind aber alle Versprechungen vergessen. Werden Sie Ihre Stimme jedoch dem Sozialdemokraten gegeben haben, so können Sie versichert sein, daß sie gut gewählt haben. Von diesen ist keiner seinen Versprechungen untreu geworden. Er hat das, was er versprochen hat, bisher treulich gehalten. Es ist nicht unsere Schuld, wenn wir nicht alles, was wir wollten, durchgebracht haben. Es ist die Schuld von Euren Gegnern, Euren Mördern. – Gebt also nicht diesen, sondern Euren eigenen Leuten die Stimme
[1] Am 3. Februar 1899 waren vom Dresdener Schwurgerichtshof neun Bauarbeiter aus Löbtau bei Dresden zu insgesamt 61 Jahren Zuchthaus und Gefängnis verurteilt worden, weil sie dagegen protestiert hatten, daß auf einem Bau über die festgesetzte Arbeitszeit hinaus gearbeitet wurde. Hierbei war es zu Tätlichkeiten gekommen, nachdem der Bauleiter mit einem „blindgeladenen“ Revolver geschossen hatte.
[2] In der Quelle: 20.