Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 480

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heuren Zöllen ganze 77 Prozent auf den Großgrundbesitzer fallen, also daß die kleinen Bauern keinen nennenswerten Vorteil davon haben.

Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, daß der Zolltarif dahin abgefaßt ist, die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen. Ferner haben 22 Prozent einen sehr geringen Vorteil von den Getreidezöllen, denn sie können nur einen ganz geringen Teil des erwirtschafteten Getreides verkaufen. Im ganzen Deutschen Reiche sind die übrigen ½ Prozent, also 46 Großgrundbesitzer, in der angenehmen Lage, durch den Zolltarif ihr Einkommen jährlich um 400000 Mark zu erhöhen.

Wir wissen, daß durch die Erhöhung der Zölle der Wert des Grund und Bodens allein um 16 Millionen Mark steigen wird und daß die Grundbesitzer um diese Summe bereichert werden. Wenn wir bedenken, daß wir dies an die ostelbischen Junker zahlen, so müssen wir uns an einen Tribut erinnern, den Deutschland 1871 den Franzosen, den armen niedergeschossenen, ausgeplünderten und geknechteten Franzosen, nach dem alten Grundsatze: „Wehe dem Besiegten“ auferlegt hat, nämlich eine Kriegssteuer von fünf Milliarden Mark. („Pfui!“-Ruf.)

Frankreich hat diese ungeheure Summe gezahlt und war dann die verhaßten Preußen los. Wir zahlen jedoch diese hohe Zollsteuer fortdauernd und werden diese ostelbischen Junker aber nie los! Und was ist die Folge, wenn Deutschland allen einführenden Ländern einen so hohen Zoll auferlegt? Daß uns die anderen Länder für die Importe unserer Produkte mit gleichem Maße messen werden.

Die interessierten Länder werden durch diesen Zoll dahin kommen, daß sie Produkte aus Deutschland überhaupt nicht mehr hereinkommen lassen werden. Die Folge davon ist, daß die deutsche Industrie herunterkommt und der Arbeiter dadurch geschädigt wird. Wenn wir dies vergleichen, so merken wir, daß die deutschen Arbeiter mit doppelten Ruten gezüchtigt werden. Erstens wird ihnen der Brotkorb höher gehängt durch die seltenere Verdienstgelegenheit und zweitens, daß er von seinem wenigen Brot noch den Zoll zahlen muß.

Doch das Zollgesetz ist ein Gesetz, welches wie alle anderen Gesetze, abgeändert werden kann, wenn wir Männer in den Reichstag schicken, welche hierfür eintreten.

Es ist die Hauptbeschäftigung des Reichstages gewesen, immer mehr Militär anzuschaffen. Es ist gewiß eine hübsche Sache, viele Leute mit blanken Knöpfen umherlaufen zu sehen.

Als der jetzt regierende Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1888 den Thron bestieg, betrug die Reichsschuld 721 Millionen Mark. An Zinsen mußten wir 25 Millionen Mark an die Bankiers zahlen, von denen wir das Geld gepumpt hatten. Seitdem König Wilhelm die Unentbehrlichkeit der Vergrößerung des Reichsheeres eingesehen hatte, wurde dasselbe immer mehr vergrößert. Da die erforderlichen Mittel nicht im Einklang mit den Einkünften standen, wurden immer mehr Schulden gemacht, so daß die Schuldenlast jetzt zweieinhalb Milliarden beträgt, wofür an Zinsen 93 Millionen Mark zu zahlen sind.

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