Ebenso wie der Widerspruch zwischen der Armee und der Republik sich nur durch die Umwandlung der ständigen Armee in Milizen auflösen läßt, kann der Widerspruch zwischen der katholischen Kirche und der Republik nur verschwinden, wenn die Kirche als öffentliche Einrichtung eine private Vereinigung wird, das heißt, wenn die Kirche vom Staat getrennt, der Klerus aus den Schulen und aus der Armee verjagt wird sowie die Güter der Ordensgemeinschaften konfisziert werden.
Die partielle Konfiszierung des kapitalistischen Eigentums durch den bürgerlichen Staat gehört zwar nicht zu den Grundforderungen der Sozialdemokratie – allerdings nicht weil die Sozialdemokratie aus Prinzip eine Gegnerin von Konfiszierungen wäre. In den Fällen, in denen wir die Sozialisierung einer Industrie fordern, z. B. der Eisenbahn, haben wir nichts dagegen einzuwenden, wenn diese Maßnahme durch eine einfache Konfiszierung stattfindet. Bei einer partiellen Konfiszierung allerdings geht die Verwaltung lediglich an den Staat über; im Falle des aktuellen Staates würde sich dadurch in keiner Weise etwas am kapitalistischen Charakter des Eigentums ändern, nur die Macht des reaktionären Staates würde gestärkt. Außerdem entstammt eine solche Forderung dem Arsenal des utopischen Staatssozialismus.
Aber es ist durchaus gerechtfertigt, wenn die Sozialdemokratie vom bürgerlichen Staat die Abschaffung mittelalterlicher Eigentumsformen fordert. Die „Tote Hand“[1] ist mit Sicherheit eine. Denn alle sozialen Funktionen, die sie finanzierte, die Armenhilfe, die Unterstützung Kranker, das öffentliche Schulwesen, all diese Funktionen liegen jetzt in der Zuständigkeit des modernen Staates. Heute, wo das klerikale Eigentum der „Toten Hand“ von all seinen Verpflichtungen befreit ist, stellt es nur noch ein einfaches Relikt des Feudalismus in der bürgerlichen Gesellschaft dar. Jede bürgerliche Revolution, die ihren Pflichten treubleiben will, sollte die Güter der Kirche konfiszieren. Die Sozialisten, die diese Maßnahme heute in Frankreich befürworten und zugleich die allgemeine Laizisierung des Schul- und des öffentlichen Wohlfahrtswesens fordern, wollen lediglich die bürgerliche Republik zwingen, ihre Prinzipien konsequent durchzusetzen und den Staat bürgerlich zu modernisieren.
Für die französische Genossen hieße es, sich in der praktischen Politik selbst zur Unwirksamkeit und Impotenz zu verurteilen, wollten sie der deutschen Taktik folgen, einer Taktik, die unter völlig anderen Umständen entwickelt wurde.
[1] Tote Hand (lateinisch Manus mortua): ist die rechtliche Bezeichnung für das Eigentum meist unbeweglicher Wirtschaftsgüter bei Korporationen wie der Kirche oder Stiftungen, die aufgrund des ursprünglichen Stifterwillens nicht wieder veräußert werden dürfen und somit vom Erbgang ausgeschlossen und dem Privatrechtsverkehr entzogen sind. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Tote_Hand_(Recht)