Kampf überall weiter, wo die alte Weltanschauung, die das Bestehende als göttliche Weltordnung religiös verklärt, noch wirkliche geistige Herrschaftsgebiete besitzt und sie die politischen und gesellschaftlichen Forderungen der Neuerer mit Argumenten zurückweist, die aus der geistigen Waffensammlung des Christentums hergeholt sind. Hier ist und bleibt der religiöse Kampf ein wesentlicher Teil des politischen Kampfes überhaupt; hier, in den Einflußsphären des Christentums, tritt uns die geistige Stupidität und die gesellschaftliche Indolenz als logisch geordnetes Gedankensystem entgegen, das nur mit geistigen Waffen zu überwinden ist.
Gewiß: Religion und Sozialdemokratie sind Begriffe, die, wenn sie sich beide streng in ihren Grenzen halten, dialektische Grenzstreitigkeiten wohl vermeiden können. Allein in der Praxis des Lebens haben wir es nicht abstrakt mit Religion zu tun, sondern ganz konkret mit der christlichen Religion, mit der christlichen Weltanschauung; ebenso wie, wer „Alkohol“ genießt, diesen in der Form von bayerischem Bier, preußischem Fusel etc. zu sich nimmt. Aber darauf bauen ja eben unsere sozialdemokratischen Vermittlungstheologen ihre Rechnung auf: Das Urchristentum, das Christentum der Bergpredigt, soll angeblich so lauteres proletarisches Gold bergen, daß dieses unschwer in sozialistische Währung gemünzt werden kann. Allerdings, das Christentum wendet sich an die Armen und Unterdrückten, an die Mühseligen und Beladenen, ja sogar an die Einfältigen und die Armen an Geist. Allein nicht um sie aus diesem Zustande zu erheben, sondern um ihre Erniedrigung zu verherrlichen und selig zu preisen und damit das gesellschaftliche Elend zu verewigen. Die Armut, die Selbsterniedrigung, die Entsagung, die asketische Verneinung des Lebens sind die spezifischen christlichen Tugenden, und die wahrhaften Symbole dieser Religion sind das Kreuz und der Bettelsack. Das Christentum ist eine Religion für Sklaven, es ist, wie Nietzsche treffend sagt, der Sklavenaufstand in der Moral, und der versklavende und verknechtende Einfluß des Christentums auf die Menschheit ist eine welthistorische, bald zweitausendjährige Wahrheit. Diese asiatische Religion hat „die ungeheure Weisheit Asiens“, die Sklaverei, zu einem geistigen Extrakt sublimiert und hat diesen „Auszug aller tödlich feinen Kräfte“ der europäischen Welt zu kosten gegeben. Die menschliche Gesellschaft ist nicht daran gestorben; allein sie entartete zum „christlichen Staat“, zum christlich-germanischen Staat des feudalen Mittelalters und hernach zum modernen „christlichen Rechtsstaat“. In beiden Gesellschaftsformationen hat der „christliche“ Staat sich wohl gehütet, mit dem Christentum ernst zu machen; er hatte mitsamt der Gesellschaft an dem Tage sein Todesurteil an sich selbst vollzogen, wo er seinen Namen mit Recht verdient hätte. Der Staat hat von dem Opiat des Christentums stets nur so viel zu sich genommen, als sein Organismus brauchte, um seine dienenden Glieder, die unterdrückten Klassen, nicht zum Bewußtsein ihrer Kraft und ihres gesellschaftlichen Werts kommen zu lassen. Diese Sorte von „proletarischer Religion“ sollte man dem mächtig aufstrebenden Proletariat doch lieber nicht als angemessene Weltanschauung anpreisen, und man könnte es füglich dem