Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 313

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chinesischen Schiffsmann dermaßen behandelt, daß dieser Mensch über Bord gegangen ist. Was hat der Kapitän für Strafe erhalten, M 500. Hier in China handelt es sich aber nicht um einen Privatmann, hier handelt es sich um den deutschen Gesandten, der ermordet worden ist, also eine Verletzung des Völkerrechtes. Auch wir sind gegen die Verletzung des Völkerrechtes, aber hat Deutschland in dieser Beziehung ein rein[es] Gewissen, und zwar gegenüber China. Sie wissen, daß der Chinesische Krieg mit Jagow für China unglücklich verlaufen ist, seitdem nun haben sich die europäischen Staaten nach China geworfen und wirtschafteten dort wie hungrige Wölfe, wogegen China sich nicht wehren konnte, was wunder, wenn ein Volk sich endlich gegen eine solche Wirtschaft empört und so verhaßt wird und versucht, dieses fremde Joch von sich zu schütteln. Grade Deutschland hat durch die Erwerbung von Kiautschou[1] mit Anlaß dazu gegeben. Deutschland hätte sich von Anfang an sagen müssen, durch die Erwerbung von Kiautschou haben wir nur Feindschaft zu erwarten. Denken wir doch an die Jahre 1815, wo Deutschland sich von Frankreich befreite usw. und vergleichen wir damit den chinesischen Volke [sic!], aber da wird man sagen: „Ja, [Ein Wort unleserlich.], das ist etwas anders.“ Die Chinesen, die sich von ihrem Joch zu befreien suchen, die sollen exemplarisch bestraft werden. Alle anderen Erklärungen hierfür sind Lug und Trug. Was soll man da wohl für Gedanken bekommen, wenn man die in den Zeitungen veröffentlichten Hunnenbriefe[2] liest. Es heißt darin, wir plündern u. wüten, jeder Chinese, der uns in die Hände fällt, wird ermordet, an diesen Bestien haben wir unseren Mut gekühlt. Gearbeitet wird nicht, alles muß der Chinese machen usw. So heißt es in den Briefen, nur diese Nachrichten sind wahr, trotz aller Entgegentretung der Regierung. Nicht das Christentum der Liebe wird dorthin getragen, sondern das Christentum der gepanzerten Faust. In wenigen Tagen wird diese ganze mordende, plündernde kapitalistische Gesellschaft ihre Kirchenglocken läuten lassen. wird die Geburt des Religionsstifters feiern, welcher sich für das Wohl der Menschheit, der Menschenliebe, der Wahrheit dahin gegeben, sein Leben geopfert hat. Nicht Christentum, sondern Weltpolitik, das ist die Mission in China. Fragen wir nun zu welchem Zwecke soll Weltpolitik betrieben werden. Es wird gesagt, Deutschland soll zu einer großen Macht gestaltet werden, die nach außen gefürchtet und geachtet werden soll, und vor allem den deutschen Handel zu einem Aufschwunge zu verhelfen, die deutsche Industrie zu entwickeln und ihre Waren in die ganze Welt zu bringen. Auch wir haben dagegen nichts einzuwenden, die deutsche Industrie soll sich entwickeln, weil dieses auch im Interesse der Arbeiterschaft liegt. Aber seit wann wird denn aber die Industrie und der Handel durch Torpedoboote entwickelt. Haben Deutschlands Kaufleute nicht vielmehr früher den Weg gefunden, nach allen Weltteilen ihre Waren abzusetzen, bevor wir Kriegsschiffe hatten. Dieses

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[1] Am 14. November 1897 hatte Deutschland das Gebiet von Kiautschou annektiert. In einem Abkommen vom 6. März 1898 war die chinesische Regierung gezwungen worden, die Bucht von Kiautschou auf 99 Jahre an das Deutsche Reich als Flottenstützpunkt zu verpachten und ihm das Hinterland Schantung als Einflußsphäre zuzugestehen. Bereits am 28. März 1898 war vom Reichstag die erste Flottenvorlage angenommen worden. Bis 1904 sollte die deutsche Kriegsflotte mit einem Kostenaufwand von etwa 482 Millionen Mark erheblich vergrößert werden

[2] Am 19. und 20. November 1900 hatten z. B. August Bebel und Paul Singer im Deutschen Reichstag gegen die Teilnahme Deutschlands an der Intervention in China protestiert, die Grausamkeiten gebrandmarkt und die dafür geforderten Mittel abgelehnt. Dabei konnten sie sich auf die wiederholt in vielen Orten stattfindenden sozialdemokratischen Protestversammlungen gegen den räuberischen Chinafeldzug unter dem deutschen General Alfred Graf von Waldersee stützen. Von Oktober bis Dezember 1900 veröffentlichte die sozialdemokratische Presse sog. Hunnenbriefe, Soldatenbriefe mit Berichten über die Greueltaten des Expeditionskorps in China, und prangerte den barbarischen Charakter des imperialistischen Kolonialkrieges an. Bei der Besichtigung von Truppen hatte Wilhelm II. am 27. Juli 1900 in Bremerhaven eine chauvinistische, die berüchtigte „Hunnenrede“ gehalten, die in den Worten gipfelte: „Kommt Ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer Euch in die Hände fällt, sei Euch verfallen! Wie vor 1000 Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch Euch in einer Weise betätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!“