Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 271

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Die neueste Blüte des Opportunismus brachte die letzte bayerische Landtagswahl in dem Wahlbündnis mit den geschworenen Feinden des Sozialismus, mit dem Zentrum, einem Bündnis, das mit den alten Traditionen der Partei völlig gebrochen hat.[1] Nicht Mandate, sondern die Aufklärung bei der Agitation galt bisher als die Hauptsache, und wo bisher bei Stichwahlen Sozialdemokraten bürgerliche Elemente wählten, da galt es, die Opposition zu stärken. In Bayern aber ist der reaktionärsten, heuchlerischsten Partei zur absoluten Majorität verholfen worden. Eine ganz besondere Beachtung verdient aber der Feldzug Schippels gegen unsere Milizforderung. Schippel hat nicht Anstand genommen, unsere alte bewährte Taktik als lächerliche Bierbankpolitik zu verhöhnen. Überall erachten die Sozialisten den Kampf mit dem Militärstaat als ihre wichtigste, nächste Aufgabe. In Frankreich, wo verschiedene Differenzen zwischen den einzelnen sozialistischen Gruppen herrschen, sind doch alle Sozialisten einig in der Agitation gegen den Militarismus. Und das hat gute Gründe. Die festeste Stütze der Reaktion und der Klassenherrschaft ist der Militärstaat, der alle Volkskräfte aufsaugt. Schippel aber erklärt den Militarismus nicht nur für notwendig, sondern auch für sehr heilsam. Als eine wirtschaftliche Entlastung bezeichnet er den Militarismus, während er doch dazu dient, das Volk wirtschaftlich zu ruinieren und seinen Kampf um die wirtschaftliche Befreiung lahmzulegen.

Alle die aufgezählten Kundgebungen des Opportunismus haben gemein das einfache Nachjagen nach dem unmittelbaren täglichen Erfolge um jeden Preis. Die Verwirklichung des Sozialismus, so sagen die Wortführer des Opportunismus, ist eine sehr schöne Sache, aber sie liegt in weiter Ferne, schätzen wir vor allem den Spatzen, den wir in der Hand haben, die klingende Münze des Erfolges. Deshalb sind auch dem Opportunismus alle Mittel zum Zwecke gut. Auf Kosten der Aufklärung macht man z. B. Kuhhandel mit dem Volksbetrüger Zentrum, um die Regierung zu Zugeständnissen zu bewegen, ist man bereit, ihr Kanonen zu bewilligen. Auf diese Weise gehen die Grundsätze zum Teufel, die ganze Tätigkeit verliert die sichere Richtschnur und wird bestimmt nur von Fall zu Fall. Diesen Opportunismus hat Eduard Bernstein nur in einer Formel ausgedrückt, als er sagte: Das Endziel ist mir nichts, die Bewegung alles.

Aber es geht dabei nicht nur das Endziel, sondern auch die Bewegung zum Teufel. Als praktische Politiker brüsten sich die Bernsteinianer. Sie sollen uns aber zeigen, wo denn die Partei gegen die praktische Politik gefehlt hat? Wo etwas zu erreichen ist auf dem Boden der kapitalistischen Ordnung, da ist die Sozialdemokratie allezeit dabei gewesen. Die beständig von praktischer Politik sprechen, können uns auch nicht eine einzige Unterlassung vorwerfen. Wenn wir trotzdem wenig erreicht

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[1] Für die am 17. Juli 1899 in Bayern stattgefundenen Landtagswahlen hatten in einigen Wahlkreisen die bayerische Sozialdemokratie und das Zentrum ein gegen die Nationalliberalen gerichtetes Wahlbündnis abgeschlossen. Zwar konnte danach die sozialdemokratische Fraktion im bayerischen Landtag nicht mehr nur auf fünf, sondern auf elf Mitglieder verweisen, dafür verfügte aber die Zentrumspartei nunmehr über die absolute Mehrheit.