Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 257

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1868;[1] 6. die Neutra<257> lisierung der während der Seegefechte oder nach ihnen mit der Rettung Schiffbrüchiger betrauten Rettungsschiffe oder -Boote auf derselben Grundlage; 7. die Revision der auf der Brüsseler Konferenz von 1874 ausgearbeiteten und bis heute nicht ratifizierten Erklärung betreffend die Kriegsbeute;[2] 8. die grundsätzliche Annahme der guten Dienste der Vermittelung und des fakultativen Schiedsgerichtsverfahrens in dazu geeigneten Fällen zu dem Zwecke, bewaffnete Zusammenstöße zwischen den Völkern zu vermeiden; 9. eine Verständigung in betreff der Anwendungsweise dieser Mittel und die Aufstellung eines einheitlichen Verfahrens für ihre Anwendung. Selbstverständlich sollen alle Fragen, die die politischen Beziehungen der Staaten und die durch die Verträge festgelegte Ordnung der Dinge betreffen, sowie im Allgemeinen alle Fragen, die nicht direkt zu dem von den Kabinetten angenommenen Programme gehören, von der Beratung der Konferenz durchaus ausgeschlossen bleiben.

In der Presse sind bereits die hauptsächlichen Vorschläge dieses Rundschreibens mitgeteilt worden, und es genügt festzustellen, daß der Charakter einer wohl berechneten Demonstration zu Gunsten zaristischer Interessen in diesem zweiten Rundschreiben des Herrn Murawjew noch viel greller und klarer hervortritt als im ersten Akt dieser internationalen Friedenskomödie.

Das neue Rundschreiben bemüht sich, ausdrücklich zu erklären, daß es sich, im Falle das Diplomatenpicknick wirklich zustande kommt, nur um eine akademische Unterhaltung, um im Kolonialdeutsch zu sprechen, um ein „Palaver“ handelt, bei dem es von vornherein feststeht, daß es über wohlklingende Redensarten und platonische Kundgebungen nicht herauskommt, und daß es in dem waffenklirrenden Reiche der Militärmächte beim alten, d. h. bei ewig wachsenden Rüstungen bleiben wird.

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[1] Die Genfer Konvention vom 22. August 1864 „betreffend die Linderung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen“ hat ihren Ursprung in den Erlebnissen des Genfer Geschäftsmannes Henry Dunant nach der Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859, die er 1862 in einem Buch veröffentlichte. Es enthielt auch Vorschläge zur Gründung von freiwilligen Hilfsgesellschaften sowie zum Schutz und zur Versorgung von Verwundeten und Kranken im Krieg. Die von 12 Staaten (Baden, Belgien, Dänemark, Frankreich, Hessen, Italien, Niederlande, Portugal, Preußen, Schweiz, Spanien, Württemberg) im Rahmen einer diplomatischen Konferenz unterzeichnete Konvention enthielt in 10 Artikeln Festlegungen zur Hilfe für verwundete Soldaten und zum Schutz der an ihrer Versorgung beteiligten Hilfskräfte, u. a. die Einführung des Roten Kreuzes auf weißem Grund als Schutzzeichen. Die Genfer Konvention von 1864 stellt den ersten völkerrechtlichen Vertrag dar, der Regeln zur Kriegführung festlegte. Im Dezember 1864 traten Norwegen und Schweden, 1865 Großbritannien, 1866 Österreich, 1867 Rußland und 1882 die USA der Genfer Konvention bei. 1868 war vorgeschlagen worden, deren Anwendungsbereich auch auf den Seekrieg zu erweitern. Trotz Unterzeichnung der Zusatzartikel durch 15 Staaten wurden sie von keinem Land ratifiziert und damit mangels Unterstützung nicht umgesetzt.

[2] Die Brüsseler Konferenz von Vertretern aus 15 europäischen Staaten hatte vom 27. Juli bis 27. August 1874 mit dem Ziel stattgefunden, eine internationale Übereinkunft über die Gesetze und Gebräuche des Krieges zu verabschieden. Die Initiative war vom russischen Zaren Alexander II. ausgegangen. Die in der „Deklaration über die Gesetze und Gebräuche des Krieges“ formulierten Beschlüsse der Konferenz erlangten jedoch nie den Status eines verbindlichen völkerrechtlichen Abkommens, weil sie nicht ratifiziert wurden. Sie bildete eine Grundlage für die in den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 beschlossene Haager Landkriegsordnung.