von Leopold Jacoby „Es werde Licht!“[1] Ja, das Licht, das der Arbeiterklasse durch die Sozialdemokratie vorangetragen wurde, das ihr den mühsamen dornenvollen Weg zur Befreiung beleuchtete, sollte ausgelöscht werden, und die Wächter der kapitalistischen Dunkelheit setzten sich mit aller Energie ans Werk.
Von den 47 Blättern der Sozialdemokratie wurden sofort 45 verboten, die Parteiorganisation gesprengt, Arbeitervereine verschiedener Art, fast alle Gewerkschaften aufgelöst, Genossenschaften zerschmettert, unzählige Existenzen ruiniert. Über Berlin und Umgegend wurde noch im Jahre 1878 der Belagerungszustand verhängt und sofort 67 Parteimitglieder aus Berlin ausgewiesen, ihre Weiber und Kinder der Misere preisgegeben…
Der Schlag war stark, er konnte auch einen Riesen, wie die Sozialdemokratie bereits damals war, für eine kurze Zeit verwirren. Aber die Verwirrung dauerte nur einen Augenblick. Wie ein Löwe raffte sich die Partei sofort zusammen und antwortet seitdem Schlag auf Schlag. Zum Ersatz der vernichteten Parteipresse wurden im Auslande die Wochenschrift „Die Laterne“[2] und die „Freiheit“,[3] vor allem aber „Der Sozialdemokrat“ gegründet, der, von Ed. Bernstein geleitet, bis zum Fall des Sozialistengesetzes eine schneidige Waffe für die tapferen Kämpferscharen war. Zur Musterung und Sammlung der zersprengten Kräfte wird 1880 ein Parteitag in der Schweiz auf das Schloß Wyden zusammenberufen[4] und er gibt der Regierung die bedeutsame und schlagende Antwort auf das Sozialistengesetz, indem er in den Passus des Gothaer Programms: „Die Partei erstrebt ihre Ziele mit allen gesetzlichen Mitteln“ das Wort „gesetzlichen“ strich. Wollte man der Arbeiterbewegung nicht den Existenzraum im Rahmen des Gesetzes gewähren, so wendete sich die Arbeiterschaft gegen das Gesetz. Die Regierung antwortete ihrerseits durch einen neuen Streich: 1880 wurde der Belagerungszustand über ein zweites Zentrum der sozialdemokratischen Bewegung verhängt, – über Hamburg. 105 Ausweisungen erfolgten in wenigen Monaten, eine Reihe Existenzen wurde wieder vernichtet. Die Sozialdemokratie quittierte durch eine kräftige Organisation der Verbreitung ihrer ausländischen Literatur in Deutschland. „Der Sozialdemokrat“, das Sprachrohr der Partei, wurde, wie die Regierung zähneknirschend konstatierte, „mit wahrhaft infernalischer Geschicklichkeit“ ins Land geschmuggelt. Die Verfolgungen, der persönliche Ruin stachelte nur den Heldenmut, die Opferwilligkeit der Kämpfer auf. Ein ganzes Heer treuer Genossen stellte sich dem Werk der Verbreitung des Parteiorgans in Deutschland zur Verfügung und [sie] setzten dabei alle Augenblicke ihre Existenz, ihre Freiheit aufs Spiel. 1881
[1] Siehe Leopold Jacoby: Es werde Licht! Poesien, 4. Auflage, München 1893.
[2] „Die Laterne“ erschien das erste Mal am 15. Dezember 1878 in Brüssel, wurde später in London gedruckt. Ende Juni 1879 erschien sie zum letzten Mal. Herausgeber war Carl Hirsch.
[3] Die erste Nr. der „Freiheit“ erschien am 4. Januar 1879 in London. Redakteur war Johann Most. Ab 1882 wurde sie in der Schweiz und danach bis 1908 in New York herausgegeben.
[4] Der Kongreß der Deutschen Sozialdemokratie in Wyden fand vom 20. bis 23. August 1880 statt.