figen Pfad des Opportunismus zu begeben, so zerstreute sich nun diese Hoffnung wie blauer Dunst. Jetzt sind keine Zweifel darüber möglich. Nunmehr sieht jedermann ein, daß die Herren Bernstein, Conrad Schmidt und Heine durchaus nicht die Anschauungen der Partei zum Ausdruck brachten, und daß Genosse Singer in seiner Schlußrede mit vollem Rechte sagen durfte: Wir sind, was wir waren, und wir bleiben, was wir sind! Jawohl, die deutsche Sozialdemokratie ist wirklich geblieben, was sie alle Zeit und immer gewesen ist: die treue Fahnenträgerin des revolutionären Gedankens unserer Zeit!
Leider finden sich in einer Ihrer Reden Stellen, die geeignet sind, den tiefen und erfreulichen Eindruck derselben gewissermaßen zu schwächen, und in der Zukunft zu bedeutenden Mißverständnissen Anlaß zu geben. Ich habe hier im Auge ihre Rede gegen Bernstein, und da deren fragliche Stellen gewiß nicht nur mir allein, sondern auch manch anderem aufgefallen sein dürften, so will ich sie, statt in einer privaten Unterhaltung mit Ihnen, in einem offenen Briefe an Sie besprechen.
In Ihrer Rede sagten Sie: „Nein, Bernstein, hat uns nicht entmutigt, sondern uns nur zum Nachdenken veranlaßt, dafür wollen wir ihm dankbar sein.“[1]
Das ist richtig, aber nur zum Teil. Bernstein hat in der Tat die deutsche Sozialdemokratie durchaus nicht entmutigt. Das beweisen die auf dem Stuttgarter Parteitage gefaßten Beschlüsse. Ob er uns aber zum Nachdenken veranlaßt hat, ob er es auch nur konnte? Ich glaube – kaum.
Um jemand zum Nachdenken anzuregen, ist es notwendig, entweder auf neue Tatsachen hinzuweisen, oder aber schon bekannte Tatsachen in neuem Lichte erscheinen zu lassen. Bernstein hat weder das eine noch das andere getan. Deshalb konnte er auch niemand zum Nachdenken anregen.
Oder irre ich vielleicht in meiner Würdigung der literarischen Tätigkeit Bernsteins? Wohlan sehen wir zu.
Wie es sich von selbst versteht, interessiert uns hier nur derjenige Teil seiner schriftstellerischen Tätigkeit, der ihm seitens einiger Genossen die bekannten Vorwürfe zugezogen hat. Es sind die letzten Jahre seiner Tätigkeit, die hier in Betracht kommen. Über die früheren literarischen Leistungen Bernsteins kann man wohl verschiedener Meinung sein, aber hier uns darüber zu verbreiten, liegt nicht der geringste Anlaß vor.
Während der letzten Jahre kämpfte nun Bernstein gegen das, was er als revolutionäre Phrase bezeichnet hat im Allgemeinen und gegen die „Zusammenbruchstheorie“ im Besonderen. Der Schwerpunkt seiner Beweisführung gegen diese Theorie liegt in dem Hinweis auf die, wie er glaubt, zweifellose Tatsache, daß viele von Marx und Engels in dem „Kommunistischen Manifeste“ vertretenen Ansichten durch den späteren Entwicklungsgang des sozialen Lebens nicht bestätigt worden wären. „Die Zuspitzung