In Beantwortung des gestern von uns besprochenen Artikels „gr.“ im „Vorwärts“ über die taktischen Meinungsdifferenzen schreibt der Verfasser der „Glossen“ in der „Leipziger Volkszeitung“:
„Ferner behauptet der ‚Vorwärts‘, daß ich in meinem fünften Artikel einen künstlichen Gegensatz zwischen ‚kleinbürgerlicher‘ und ‚proletarisch-revolutionärer‘ Parteipolitik zu konstruieren versucht hätte. Ich darf jeden Leser, der sich für diese Behauptung interessieren sollte, einfach auf meinen fünften Artikel verweisen, der mit keinem Worte einen künstlichen Gegensatz zu konstruieren, sondern mit jedem Worte die tatsächlich vorhandenen Gegensätze in einer weder hüben noch drüben verletzenden Weise historisch zu erklären sucht. Um seine, in diesem Punkte rein vom Zaune gebrochene Polemik zu würzen, übergibt mich der ‚Vorwärts‘ als ‚Artikelschreiber‘, als ‚Glossenartikler‘, als ‚Parteisonderling‘ dem Unwillen seiner Leser. Derartige, der bürgerlichen Presse abgelauschte Manierchen haben ihrer Zeit einer echten Kampfnatur, wie dem Genossen Parvus, jenen unbändigen Zorn eingeflößt, der menschlich nicht weniger verständlich und sympathisch blieb, weil er politisch nicht eben ratsam war. Was mich anbetrifft, so habe ich einige Jährchen mehr auf dem Buckel als Parvus und tröste mich in melancholischer Heiterkeit: Das ist nun mal der ‚Vorwärts‘, wie er leibt und lebt.“[1]
Ed[uard] Bernstein hat bekanntlich in seinem letzten von uns an dieser Stelle im wesentlichen wiedergegebenen Artikel im „Vorwärts“ unter dem Titel: „Eroberung der politischen Macht“ unter anderem auf die praktischen Erfolge der österreichischen Sozialdemokraten hingewiesen und gesagt: Sie seien „Meister jenes Opportunismus, der den echten Heerführer vom stümpernden Experimentier unterscheidet“.[2] Darauf antwortet Victor Adler in der Wiener „Arbeiter-Zeitung“:
„In einem schon nach dem Parteitag erschienen Artikel im ‚Vorwärts‘ hat Bernstein den österreichischen Sozialdemokraten die Ehre angetan, sie ‚Meister jenes Opportunismus‘ zu nennen, den er für das Ideal der Taktik hält. Es ist richtig, daß wir in Österreich auf schwierigem Boden manchen erfreulichen Fortschritt gemacht haben; wenn er aber meint, daß wir dabei den Blick unaufhörlich auf den Boden gesenkt haben, um nur ja keine Unebenheit zu übersehen, und daß wir uns den Ausblick auf die Ziele der Bewegung verstellen, dann irrt er sich. Wir wären längst zu Grunde gegangen in dem Sumpfe österreichischer Dinge, wir hätten der Bewegung nie den Schwung geben können, der nötig ist, um unsere Art von ‚Opportunismus‘ aushalten zu können, wenn wir am Boden kleben und nicht den Blick frei erheben würden zu den Zielen der Bewegung. Wir österreichischen Sozialdemokraten wissen uns in voller Übereinstimmung mit der überwältigend großen Mehrheit unserer deutschen Ge