chen. Diesen Zweck hat die Debatte vollkommen erreicht, und weiter durfte sie nicht gehen: Es wäre töricht gewesen, durch eine Majoritätsabstimmung dieser oder jener Auffassung zum Siege verhelfen, und es wäre mindestens ebenso töricht gewesen, eine scheinbare Übereinstimmung der Ansichten herstellen zu wollen durch eine Resolution, die bei dem tatsächlichen Widerstreit der Meinungen auf irgendein verwaschenes Gerede hinausgelaufen wäre. Aber wenn dem so war, so war die Stuttgarter Debatte auch nur der Anfang der Diskussion oder, wenn man die vorhergehenden Auseinandersetzungen in der Presse als Anfang rechnen will, der Schluß dieses Anfanges: Soll wirkliche Klarheit in der Partei über ihre taktischen Aufgaben geschaffen werden, so muß die in Stuttgart so weit wie möglich, aber keineswegs so weit wie nötig geführte Diskussion fortgesetzt werden, und dazu ist in erster Reihe die Parteipresse berufen.“
„Die Klage, die wie auf früheren Parteitagen, so auch in Stuttgart erhoben wurde, daß es nämlich der Partei an wissenschaftlichem Nachwuchs fehle, erledigt sich durch die hausbackene Tatsache, daß zu einer wissenschaftlichen Literatur nicht nur Leute gehören, die sie schreiben, sondern auch Leute, die sie lesen. Und vorläufig fehlt es der wissenschaftlichen Literatur der Partei weit weniger an Leuten, die schreiben können, als an Leuten, die lesen wollen. Was seit zehn Jahren auf diesem Gebiete geleistet worden ist, das mag sehr unvollkommen sein, aber es ist doch noch immer genug, um die verständigeren Anhänger aller bürgerlichen Parteien mit Neid zu erfüllen. Und besser wird’s auf keinen Fall, wenn die Partei diese bescheidenen Anläufe an ihrer Teilnahmslosigkeit vertrocknen läßt, in sehnsüchtiger Hoffnung auf den St.-Nimmerleins-Tag, wo für sie die Lassalle und Marxe vom Himmel regnen werden.
Wir wissen sehr wohl, daß sich Dinge, die sich seit langem eingewurzelt haben, nicht an einem Tage entwurzeln lassen. Soweit sich aber einer schädlichen Entwicklung entgegenwirken läßt, soll man ihr rechtzeitig entgegenwirken. Deshalb haben wir den einen Punkt, in dem der Stuttgarter Tag die Partei nicht auf ihrer historischen Höhe gezeigt hat, ohne Übertreibung, aber auch ohne Verdunkelung besprechen zu sollen geglaubt: Gibt dieser Tag einen wirksamen Anstoß zur theoretischen Vertiefung der deutschen Arbeiterbewegung, so wird er in ihrer Geschichte um so denkwürdiger sein.“[1]
Der „Leipziger Volkszeitung“ wird von einem alten bekannten Genossen aus Berlin[2] geschrieben:
„Der Verfasser der Artikel: Glossen zum Parteitag[3] – mit dessen Ausführungen wir sonst vollständig übereinstimmen, – hat in seinem Artikel V einige Ausführungen gemacht,
[1] Ebenda, S. 254–256 und 258. In [ ] wurden die beiden einzigen Abweichungen von der „Neuen-Zeit“-Quelle eingefügt.
[2] Das ist August Bebel, siehe August Bebel an die Redaktion der Leipziger Volkszeitung: Zur Diskussion über die Glossen“. In: Leipziger Volkszeitung, Nr. 243 vom 19. Oktober 1898.
[3] Diese Artikel stammten von Franz Mehring und erschienen in der Leipziger Volkszeitung, Nr. 234 bis 238 vom 8. bis 13. Oktober 1898.