Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 861

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-6/seite/861

Eine neue Spottgeburt des Zarismus

Durch kaiserlichen Ukas wird das Wahlrecht zur Reichsduma folgenden Kategorien gewährt:

1. Besitzern von Immobilien, die der Besteuerung unterworfen sind, sofern sie mindestens ein Jahr im Besitze derselben sind;

2. Eigentümern von industriellen Unternehmungen, die der Besteuerung unterliegen;

3. den Personen, die Wohnungssteuer bezahlen;

4. den Personen, die Gewerbesteuer zahlen;

5. den Personen, die eine Wohnung auf eigenen Namen haben;

6. den Personen, die Gehalt vom Staat, den Semstwos,[1] den Gemeindebehörden oder den Eisenbahnen beziehen; diese Personen haben auch das Recht, an den Konferenzen der städtischen Wähler teilzunehmen. Arbeiter von Fabriken, deren Gesamtarbeiterzahl nicht weniger als 50 beträgt, haben das Recht, Beauftragte in die Wahlversammlungen zu entsenden, und zwar entweder die Arbeiter von Fabriken, die wenigstens 50 und bis zu 1000 Arbeiter beschäftigen, einen Beauftragten, und die Arbeiter von Fabriken, die über 1000 Arbeiter beschäftigen, einen Beauftragten auf je 1000 Arbeiter. Die eigentlichen Wähler werden von diesen Beauftragten gewählt.

Die erste Sitzung der Duma kann eröffnet werden, nachdem der Senat eine Liste veröffentlicht haben wird, welche mindestens die Hälfte der Gesamtzahl der Mitglieder der Duma enthält. Der Kaiser ordnete die Beschleunigung der Wahlen an, sowie daß der Minister des Innern Maßnahmen ergreife, damit die Duma sich so rasch wie möglich versammeln könne, und daß derselbe Sonderinstruktionen für die Ergänzungswahlen bekannt gibt.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 302 vom 28. Dezember 1905.

Nächste Seite »



[1] Semstwo: 1864 im Zuge liberaler Reformen in Rußland eingerichtetes und bis 1917 bestehendes Organ lokaler Selbstverwaltung auf Gouvernements- und Kreisebene. In ihnen waren der Adel, die Städter und die Bauern vertreten.