Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 858

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brannte das Gebäude nieder, in dem sich der Viktualienladen befand. Der in der Nähe gelegene Nikolajewsker Bahnhof wurde inzwischen von Revolutionären aus den Werkstätten der Jaroslawl-Bahn beschossen. Eine Grenadierabteilung antwortete vom Dache des Bahnhofes. Die Stationen Ljuberzy und Perowo, wo rote Flaggen wehen, befinden sich in den Händen der Revolutionäre.

Der Kampf dauert fort

Der „Lokal-Anzeiger“ bringt die folgende Privatmeldung: Petersburg, 26. Dezember, 11 Uhr 40 Minuten nachts. Die Nachrichten aus Moskau über die Straßenschlachten der letzten Tage lauten schrecklich. Es sollen dort gegen 10000 Tote und Verwundete gezählt worden sein. Der Kampf dauert noch fort, insbesondere auf den Bahnhöfen und den Prochorowschen Fabriken, wo dreitausend bewaffnete Arbeiter mit dem Militär, das sie entwaffnen wollte, ins Gefecht kamen. Den ganzen Tag wurde dort gekämpft, wobei es viele Tote und Verwundete gab. Die Revolutionäre beschossen dann das Gefängnis, worauf die Militärwache antwortete. Die Revolutionäre bauen ununterbrochen Barrikaden, die die Artillerie niederschießt. Das Militär hält zur Regierung; die nicht Eides treuen Soldaten sind in den Kasernen eingeschlossen worden. Während der Nacht auf Montag wurden neue Barrikaden gebaut. Die Anführer beabsichtigen um das Zentrum der Stadt einen Ring von Barrikaden zu bauen, um Zeit zu gewinnen, in der Hoffnung, daß das Militär sich ihnen schließlich doch anschließen werde. Die Artillerie zerstörte durch Granaten die Barrikaden, während die Feuerwehr die Holzhindernisse anzündete. Während eines Meetings mit 10000 Teilnehmern hieß es, daß auch Soldaten anwesend seien. Es wurde vorgeschlagen, ihnen dafür eine Ovation zu bereiten; dabei verbreitete sich infolge eines Mißverständnisses das Gerücht, Militär sei im Anzuge, und nun entstand eine furchtbare Panik. Alles rannte davon, wobei viele erdrückt und verwundet wurden. Während des Meetings war beschlossen worden, den Generalgouverneur von Moskau, Admiral Dubasow, und den Stadthauptmann, Baron Medem, zu arretieren.

Aus London wird gemeldet: London, 27. Dezember, 12 Uhr 20 Min. mittags Die letzten per Bahn via Odessa aus Moskau in Petersburg eingetroffenen Nachrichten lauten, wie den „Times” telegraphiert wird, daß die Revolutionäre den Sucharewskaja-Turm in der Sadowajastraße eroberten und Maschinengeschütze darin aufstellten. Enorme Menschenmengen befinden sich auf dem Roten Platze, wo ein heftiger Kampf ausgefochten wird. Die ersten Donkosaken, die Twerdragoner und die Resoizer Infanterie hätten gemeutert und seien in den Kasernen festgehalten. Versuche, den Nikolajewsker Bahnhof zu erobern, schlugen fehl. Mindestens 2000 Personen wurden bis Sonntag getötet. Admiral Dubasow telegraphierte am Montag, 15000 Personen seien getötet und verwundet, er erklärte die Lage für sehr ernst. Nach den letzten Nachrichten ist die Situation nicht wesentlich verändert, die Revolutionäre machen keine Fortschritte, zeigen aber auch noch keine Erschöpfung.

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