Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 834

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Slowo ging aus Tiflis eine amtliche Meldung ein, daß dort seit dem 12. d. M. abermals blutige Zusammenstöße zwischen Armeniern und Tataren stattfinden, nachdem der Statthalter den Armeniern auf deren Gesuch 500 Gewehre zur Bildung einer Miliz bewilligt hat. Die Truppen und die Gesellschaft fordern die Entwaffnung der Miliz. Die Truppen haben aus eigener Initiative mit dieser Entwaffnung begonnen. In der Stadt herrscht Panik. Dasselbe Blatt berichtet aus Jaroslawl, daß 600 bewaffnete Arbeiter sich der Korsinkinschen Fabrik bemächtigten und sie als Eigentum des Proletariats erklärten.

Petersburg, 20. Dezember. Die Antwort der Arbeiterführer in Moskau ist gestern hier eingetroffen. Sie lautet für den Generalausstand günstig, so daß derselbe unverzüglich verhängt werden dürfte.

Warschau, 20. Dezember. Die Leiter des Post- und Telegraphen-Ausstandes sind verhaftet worden; die telegraphische Verbindung zwischen Moskau und Petersburg ist wiederhergesellt worden.

Die „Vossische Zeitung“ schreibt: Bürgerkrieg in Finnland? Sonderbare Dinge bereiten sich, wie ein uns aus Helsingfors zukommender Brief berichtet, in Finnland vor. Die die Arbeiterschaft vertretende „rote Garde“ und die vom Bürgertum organisierte „weiße Garde“ stehen einander bewaffnet gegenüber. Die Waffenpreise sind stark gestiegen und kaum ist in ganz Finnland heute noch ein Revolver käuflich zu haben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß schon heute, am Tage der Eröffnung des Landtages, ein Bruderkampf sich entspinnt und daß, wenn die Arbeiterpartei siegen sollte, die finnische Republik ausgerufen wird. Schon vor einigen Tagen fand sich in dem Arbeiterblatte „Tuomier“ die geheimnisvolle Bemerkung, daß die „rote Garde“ nicht zum Schutze für den Landtag oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Stadt, sondern „für andere Zwecke“ bestimmt ist. Es handelt sich darum, daß die Arbeiter den finnischen Landtag, der bekanntlich aus Ständewahlen hervorgeht, nicht als Volksvertretung anerkennen wollen.

Ein Aufruf der Sozialdemokratie Finnlands

Wir erhalten den folgenden Brief: Die Sozialdemokratische Partei in Finnland sendet hiermit den Parteigenossen aller Länder ihren Gruß.

Dem politisch gebildeten Publikum kann es nicht unbekannt sein, daß trotz aller Reklamationen von Seiten der oberen Klassen eine tiefe Spaltung unter dem Volke Finnlands herrscht. Dieselbe droht sogar, die Bestrebungen für die Eroberung der politischen Freiheiten, für die alle Kräfte hätten zusammenwirken sollen, fruchtlos zu machen. Nicht nur, daß der Kapitalismus jeden Tag bedrohlicher wird und die in Lohnsklaverei und Arbeitslosigkeit schmachtenden Arbeiter immer mehr bedrückt [werden], auch herrscht die größte politische Unterdrückung, die nur in einem Lande denkbar und auch natürlich ist, wo die überwiegende Mehrheit des Volkes nicht mittels einer zuverlässigen Majorität einer wirklichen Volksvertretung ihrem Willen Ausdruck geben kann. Die Unzufriedenheit mit diesen unerträglichen Zuständen hat

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