Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 822

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Militärrevolten

Moskau, 16. Dezember. (Über Eydtkuhnen.) Hier fand eine Versammlung des Grenadierregiments Rostow unter Teilnahme von Vertretern verschiedener Parteien statt. Den Befehl über die Versammlung führte ein Ausschuß von 20 Soldaten. Die Ordnung wurde nicht gestört. Offiziere waren nicht zugelassen. Der Kommandant des Regiments hat seinen Abschied eingereicht. In derselben Kaserne wie das Regiment Rostow liegt ein Bataillon des Regiments Astrachan. Die Mannschaften des Regiments Rostow verhinderten die des Regiments Astrachan, Dienst zu tun. Die Offiziere des Regiments Rostow hielten den ganzen Tag Beratungen ab. Dem Divisionskommandanten wurden die Forderungen der Soldaten zugestellt; er versprach, sie an die obersten Behörden weiterzugeben. Das Regiment Rostow hat einen Aufruf an alle Regimenter ergehen lassen; diese werden darin aufgefordert, die Bewegung zu unterstützen, die jetzigen Kommandanten abzusetzen und für die Freiheit der Armee zu kämpfen. Die Antworten seien bis zum 19. Dezember zu erteilen. Das Regiment Rostow beschloß sodann, eine militärische Demonstration in allen Straßen zu veranstalten.

Moskau, 17. Dezember. (Meldung der „Petersburger Telegraphen-Agentur.) Das Regiment Rostow hat sich ergeben. Als erste ergaben sich die Soldaten der Mitrailleusenkompanie, sodann das dritte und vierte der unzufriedenen Bataillone, und zwar in Gegenwart von Vertretern der extremen Parteien. Die übrigen Soldaten werden dem Beispiele folgen. Zehn Rädelsführer wurden verhaftet, unter ihnen ihr Chef Schabarow. Die Offiziere sind auf ihre Posten zurückgekehrt; die Untersuchung ist im Gange. Einige weniger bedeutende Forderungen sind bewilligt worden, so die Unverletzlichkeit der Soldatenbriefe, die Vermehrung der Rationen und die regelmäßige Löhnungszahlung.

Der „Lokal-Anzeiger“ bringt die Nachricht, daß Leutnant Schmidt[1] aus dem Festungsgefängnis entkommen sei.

Die Anarchisten in Rußland

Eine Anarchistengruppe in Petersburg – im ganzen gibt es ein paar Dutzend Anarchisten in ganz Rußland – hatte sich an den Rat der Arbeiterdelegierten mit der Forderung gewendet, da andere Parteien – wie die Sozialdemokratie – darin vertreten sei, auch die Vertreter der „anarchistischen Partei“ aufzunehmen. Der Rat der Arbeiterdelegierten antwortete, daß die paar Anarchisten keine „Partei“ in Rußland seien und verweigerte ihre Beteiligung. So – lautete die Antwort zum Schluß – werden die Anarchisten auch von allen sozialistischen Kongressen in Europa behandelt.

Darob große Entrüstung unter den Anarchisten. Eine andere anarchistische Gruppe veröffentlicht in dem bürgerlichen Blatte „Ruß [Otetschestwa]“ (Rußland] einen heftigen Ausfall gegen den Rat der Arbeiterdelegierten sowie einen Tadel für

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[1] Siehe dazu Rosa Luxemburg: Leutnant Schmidt. In: GW, Bd. 6, S. 748 ff.; dies.: Die Revolution in Rußland. In: GW, Bd. 6, S. 786; dies.: Die Wahrheit über Sewastopol. In: ebenda, S. 811 ff.