mittags wurde alles sofort wieder verrammelt, da sich das Gerücht verbreitet hatte, es würde sofort eine Hetze gegen die Juden und die Intelligenz beginnen. Glücklicherweise bewahrheitete sich das Gerücht nicht. Die „Ordnungsmänner“ hatten es für besser befunden, den Raubmord auf einige Zeit hinauszuschieben.
Die Panik, die sich der Einwohner während des Bombardements bemächtigte, ist unbeschreiblich. Die Bevölkerung verlor gänzlich den Kopf und suchte sich in Kellern und anderen Verstecken zu retten. Andere stürzten auf die Straßen hinaus, warfen sich auf die Erde oder verbargen sich hinter Bäumen, Zäunen und Mauern. Die Stadt selbst hat nur wenig gelitten. Ernstlich beschädigt wurden nur mehrere am Meeresufer gelegene Häuser. Der Telegraphen-, Post-, Schiffs- und Eisenbahnverkehr war während der Tage gänzlich eingestellt worden. Donnerstag nach dem Bombardement eröffnete die Eisenbahn zeitweilig den Verkehr wieder. Der Bahnhof war überfüllt von Scharen flüchtender Einwohner, die Hab und Gut verließen, um wenigstens ihr Leben zu retten.
Die Verluste an Menschenleben lassen sich vorläufig noch nicht genau feststellen. Soviel man erfahren konnte, sollen in den Lasarew-Kasernen nur vier bis sechs Personen getötet sein, auf dem „Otschakow“ dürften allermindestens 100 Mann getötet sein. Andere sind ertrunken, viele haben Brandwunden erlitten, viele sind dem Wahnsinn verfallen.
Das ist die Geschichte und das Ende der so friedlich, so besonnen eingeleiteten Erhebung der Matrosen in Sewastopol!
Das Verbrechen des Absolutismus und seiner Mordgesellen läßt sich nicht mit Worten kennzeichnen. Grell ragt es hervor sogar unter all den düsteren Schandmälern zaristischer Willkür und Niedertracht, einzig in seiner Art.
Die Geschichte der russischen Freiheitsbewegung, die von zahllosen Leiden zu erzählen weiß, wird den gefallenen Helden zu Sewastopol ein ewiges, rühmliches Andenken bewahren.
Vorwärts (Berlin),
Nr. 295 vom 17. Dezember 1905.