Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 810

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einzujagen; zündet den Dung an, damit es Feuer und Krachen gebe, zerstreut Euch über das Dorf und schlagt die Fensterscheiben ein.

Der Leutnant Schtscherbinin übermittelt dann telefonisch seine bei der „Beruhigung“ gewonnenen Eindrücke seiner Frau: „Rings umher fließt das Blut, alles steht in Flammen, wir hauen, stechen, schießen.“

„Aufgeklärte“ Spitzel

Eine Gruppe von Agenten der berüchtigten „Schutzabteilung“, die die Aufgabe hat, alles zu beschnüffeln und zu bespitzeln, sandte unserem Petersburger Bruderblatt „Nowaja Shisn“ [Neues Leben] einen Brief zu, der bezeugt, daß die „Seuche der Revolution“ auch die politischen Spitzel ergriffen habe. Die Redaktion der „Nowaja Shisn“ bezweifelte anfangs die Richtigkeit dieser Tatsache, aber eine Nachprüfung bewies, daß unter den „Agenten“ wirklich „aufgeklärte“ Elemente vorhanden sind. Der interessante Brief lautet: „Wir, aufgeklärte Agenten, verachten Euch (d. h. die Regierung) und sprechen Euch unsere Empörung aus, da Eure verbrecherischen Taten mit ihrer ganzen Last auf uns, aufgeklärte Agenten, drücken. Wir sind berufen, die Menschheit (!) vor dem Terrorismus (!) zu schützen, aber nicht selbst Terroristen zu sein. Es müßte Euch schon das genügen, daß Ihr, indem Ihr Euch hinter unseren Rücken verbergt, uns zwingt, jeden Schritt der Gesellschaft zu verfolgen. Aber Ihr, die Ihr unseren Hunger und den Hunger unserer Familien ausnutzend, uns in Eure Hände bekommt, Ihr zwingt uns noch außerdem die Gesellschaft zu terrorisieren. Nicht die Gesellschaft, sondern Ihr ruft den Terror hervor.

Ihr, die Tyrannen der Menschheit, obwohl Ihr uns zum Schutze der Menschheit erwarbt, habt Ihr uns Eure dämonischen Pläne auszuführen gezwungen, Ihr, Ungeheuer, Ihr wißt, daß, wenn ein Mensch in Eure Hände fällt, er verloren ist. Sei es denn wie es ist, mag die Gesellschaft auf uns als auf Schurken herabblicken, aber trotzdem habt Ihr unsere Seelen nicht ertöten können. Wir alle gehören der Gesamtheit und zusammen mit ihr werden wir für die Freiheit der Menschen kämpfen. Ihr wißt, daß, wenn wir Eure Reihen verließen, wir nirgends aufgenommen werden können. Wir sind gezwungen, als Judas herumzuirren. Mag unser Blut und unsere Leiden deshalb auf Eure Häupter und auf die Häupter Eurer Nachkommen fallen. Wir aber sind auch Proletarier und in den Reihen des Proletariats werden wir gegen Euch, Ihr Ungeheuer, kämpfend sterben.“

Der Brief ist sehr ungrammatisch geschrieben, aber das gerade verbürgt wohl seine Echtheit.

Die Moskauer Börsenbesucher haben beschlossen, keine Steuern zu bezahlen, falls die Regierung weiter gegen die ausständigen Post- und Telegraphenbeamten vorgeht.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 295 vom 17. Dezember 1905.

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