Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 809

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men. Erbitte telegraphische Weisungen. Dringend.“ Es erfolgte darauf aus Petersburg eine drahtliche Antwort über Europa und Wladiwostok. Ihr Inhalt ist unbekannt.

Die Anklageschrift gegen den Schiffsleutnant Schmidt, der bei der Meuterei der Schwarzmeerflotte die Leitung hatte, enthält Anklagen, auf welche die Todesstrafe steht.[1] In der Anklageschrift wird u. a. folgender angeblich vom Leutnant Schmidt am 28.[2] November a. St. erlassene Tagesbefehl veröffentlicht: „An den Bürgermeister von Sewastopol! Ich habe heute an Se. Majestät den Kaiser folgendes Telegramm gerichtet: Die glorreiche Flotte des Schwarzen Meeres, die der Nation tief ergeben bleibt, ersuchen Sie, Sire, ohne Verzug eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen und hört hiermit auf, Ihren Ministern zu gehorchen. (Gez.) Flottenkommandeur Schmidt.“

(Über den Sewastopoler Aufstand siehe unsere heutige Beilage. Die Red.)[3]

Petersburg, 16. Dezember. Nach Meldungen aus Rostow am Don sind dort große Unruhen ausgebrochen. Die dortige zarentreue Garnison machte den Ruhestörern gegenüber von der Waffe Gebrauch. Hierbei wurden 300 Personen getötet und verletzt. – Die Schiffsarbeiter in Rostow haben die mit Waren beladenen Schiffe teils versenkt, teils verbrannt. Die Kaufleute erleiden dadurch großen Schaden. Die Banken haben die Auszahlung von Bankguthaben verweigert, die bessersituierten Bewohner verlassen fluchtartig die Stadt.

Die „Beruhigung“ der Bauern

Ein Korrespondent der sehr gemäßigten Petersburger Zeitung „Nascha Shisn“ [Unser Leben] erzählt in seiner Zeitung, wie man im Kreise Borrisoglebsk des Gouvernement Tambow die aufständischen Bauern „beruhige“. Einige Stellen seines interessanten Briefes verdienen wiedergegeben zu werden: Durch den ganzen Kreis Borissoglebsk, schreibt der Verfasser, ist ein Telefon eingeführt, das die Eigentümlichkeit besitzt, daß wenn ein Abonnent spricht, sein Gespräch von allen Übrigen gehört werden kann. Dank dessen wurden im Kreise alle Geheimnisse der Polizei bekannt. Auf diese Weise erfuhr man, daß der Pristav dem Landeshauptmann Polonsky gesagt habe: „Wir werden den Bauern viel mehr Getreide abnehmen, als sie selbst den Gutsbesitzern abgenommen haben.“

Der Rittmeister Iljuschkin, der eine Sotnja [Hundertschaft] Kosaken befehligt, gibt seinem Untergebenen F. Schtscherbinin, der sich nach der Wotostj Oleschki begibt, folgenden Befehl (telefonisch): „Seien Sie eingedenk dessen, was man zu tun hat: Ins Dorf fahren Sie nicht ein, sonst werden Sie abgeschnitten. Sollte es notwendig sein, daß die Bauern aus dem Dorfe heraustreten, so zündet das Dorf vom Rande an. Fordert die Herausgabe des Getreides. Im Falle der Weigerung – lassen Sie schießen; zuerst in die Luft, dann auf die Bauern. Überhaupt müssen Sie sich bemühen, ihnen Schrecken

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[1] Siehe dazu Rosa Luxemburg: Leutnant Schmidt. In: GW, Bd. 6, S. 748 ff.

[2] In der Quelle: 38.

[3] Siehe Rosa Luxemburg: Die Wahrheit über Sewastopol. In: GW, Bd. 6, S. 811 ff.