Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 758

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fahren, „entstellte Berichte“ zu bringen, er die schärfsten Maßregeln gegen sie ergreifen würde. Der akademische Senat verständigte die Hauptmannschaft, daß, falls binnen 24 Stunden die Schließung der Universität nicht aufgehoben würde, dieselbe gewaltsam geöffnet werden würde.

Die „Schwarzen Hunderte“[1] an der Arbeit

Kiew, 2. Dezember. Hier sind neue Unruhen ausgebrochen. Der Mob in Podol plünderte die Kaufläden, Militär mußte einschreiten. Der Pöbel droht, die Intelligenz und die Konsuln anzugreifen, weshalb der Gouverneur strenge Vorsichtsmaßregeln getroffen hat. Die Straßen sind von Militär besetzt.

Die Revolution und die Schulden des Zarismus

Der übrigens sehr unzuverlässige „Daily Mail“ meldet, daß der Zentral-Streikausschuß beschlossen habe, die Regierung dadurch lahmzulegen, daß er den Kredit des russischen Reiches unterbindet. Das Komitee erklärt, daß alle im Auslande von der Regierung aufgenommenen Anleihen für nichtig erklärt werden würden, falls es gelinge, die gegenwärtige Regierung zu stürzen. Der Ausschuß beschäftigt sich ferner mit einem Plan, alles Gold der Regierung gewaltsam in seinen Besitz zu bringen. (!)

Die letzte Nachricht klingt abenteuerlich. Daß jedoch eine eventuelle revolutionäre Regierung sich nicht einfallen[2] lassen dürfte, die Schulden des Absolutismus an die Herren Bankiers in Westeuropa zu zahlen, ist ohne Weiteres als selbstverständlich anzunehmen und brauchte kaum noch besonders beschlossen zu werden.

Eine Ente

Das „Büro Hirsch“ verbreitet die folgende Nachricht: Petersburg, 2. Dezember. In der gestern erschienenen ersten Nummer des neuen sozialdemokratischen Blattes warnt der Sozialistenführer Plechanow vor einer Fortsetzung der Revolution, deren lange Dauer, ebenso sagt Struve, eine Kulturgefahr in sich berge. Der Artikel ruft großes Aufsehen hervor und wird besonders in liberalen Blättern sympathisch besprochen.

Natürlich ist das eine Ente. Wir wissen nicht, welches „neue sozialdemokratische Blatt“ hier gemeint ist. Das „Natschalo“ [Der Anfang] hat bereits am 26. November zu erscheinen angefangen und enthielt keinen Artikel von Plechanow. Jedenfalls kann aber Genosse Plechanow ganz unmöglich Ausführungen gemacht haben, wie sie ihm oben zugeschrieben werden. Höchstens könnte es sich vielleicht – wenn überhaupt irgendein Tatbestand vorliegt – darum handeln, daß Plechanow etwa vor einer Überspannung der Generalstreikmethode warnte. Doch können wir uns auch das kaum denken.

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[1] Die „schwarzen Banden“, „Schwarzen Hundert“, „Schwarzhundertschaften“ waren eine im „Bund des echt russischen Volkes“, nach dessen Spaltung 1908 auch im „Erzengel-Michael-Bund“, verankerte militant nationalistische und antisemitische Bewegung von Monarchisten. Sie agierten als bewaffnete terroristische Banden des zaristischen Regimes, ermordeten Arbeiter, Intellektuelle und zettelten Pogrome an. Sie setzten sich aus reaktionären Elementen des Kleinbürgertums, des Lumpenproletariats und aus Kriminellen zusammen.

[2] In der Quelle: beifallen.