Und immer Belagerungszustand

Petersburg, 23. November. Der hier weilende Gouverneur von Livland erklärte dem Grafen Witte, daß er nur bei Verhängung des Belagerungszustandes die Ordnung aufrechterhalten könne.

Der Kampf geht weiter!

Aus Warschau wird gemeldet: In den Werkstätten der Warschau-Wiener Bahn wurde gestern eine große Versammlung abgehalten, an der 10000 Personen teilnahmen. Es wurde beschlossen, falls bis zum 1. Januar 1906 der Kriegszustand in Polen von der Regierung nicht aufgehoben ist, wieder einen Generalstreik für ganz Polen zu proklamieren.

Petersburg, 22. November. Mehrere staatliche Fabriken wurden geschlossen, da die Arbeiter sich weigerten, die Arbeit wieder aufzunehmen, und die Arbeiter entlassen. Die Regierung teilte desweiteren mit, daß, wenn die Arbeiter nicht nachgeben, die industriellen Etablissements für immer geschlossen bleiben.

Helsingfors, 23. November. (W.T.B.)^[1] In einer Versammlung der Arbeiterpartei wurde mit 191 gegen 96 Stimmen beschlossen, daß die Partei nicht an den Wahlen zum Landtage teilnehmen wird. Wenn nötig, soll der Generalstreik proklamiert werden.

Gärung im Heer und in der Marine

Petersburg, 23. November. Nach den dem Marineamt zugegangenen Meldungen herrscht unter der Mannschaft der in Saigon eingetroffenen zwei russischen Kreuzer große Erregung. Ebenso meldet General Linewitsch, daß Agitatoren unter den Truppen in der Mandschurei Aufwiegelungen verursachen.

Die Verfassungskomödie auf „administrativem Wege“

Petersburg, 22. November. Der Zar führte den Vorsitz bei der ersten Vollsitzung des vom Grafen Witte gebildeten Kabinetts, die heute in Zarskoe Selo stattfand. Wie verlautet, unterzeichnete der Zar in der Sitzung zwei Erlasse, durch welche die in seinem Manifest gegebenen Versprechungen der Versammlungs- und Pressefreiheit zu endgültigen Verwaltungsmaßnahmen gestaltet werden.

Der zaristische Liberalismus vom Schlag getroffen!

London, 23. November. Der Petersburger Korrespondent des „Standard“ meldet, daß Graf Witte einen Schlaganfall erlitten hat. Sein linker Arm ist gelähmt. Der Ministerpräsident hat auch viele Ohnmachtsanfälle zu erleiden. Es gab Stunden, wo man für sein Leben ernstliche Befürchtungen hegte. Es erscheine unwahrscheinlich, daß Graf Witte noch lange im Amte bleibt.