Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 718

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gierung das Versprechen einer Abgeordnetenkammer erhalten hätten, sofort mit der Revolution aufgehört hätten. Die Versammlung möge doch die auf Grundlage des Manifestes vom 30. Oktober[1] gegründete Verfassung abwarten. Fürst Paul Dolgorukow beantragt, das Ministerium Witte zu unterstützen. Alle weiteren Redner entwickelten denselben Gedanken; nur Schepkin erklärt, da das Ministerium Witte es während dreier Wochen nicht verstanden habe, dem Lande die durch den Monarchen gewährten Freiheiten zu geben, so müsse es fortgefegt oder gezwungen werden, diese Freiheiten in drei Tagen zu geben.

Moskau, 22. November. (Meldung der „Petersburger Telegraphen-Agentur“.) Dem Kongresse sind von verschiedenen Vereinigungen, Semstwo-Verwaltungen und anderen Körperschaften in den Provinzen Telegramme zugegangen, die es für unerläßlich erklären, die Regierung zu unterstützen und sich gegen eine Konstituierende Versammlung aussprechen.

Petersburg, 22. November. (Meldung der „Petersburger Telegraphen-Agentur“.) Dem Ministerpräsidenten Grafen Witte gingen von den Gemeinderäten in Kasan und Astrachan, sowie den Börsen in Rybinsk und Samara Telegramme zu, in denen diese Körperschaften erklären, eine auf das Manifest vom 30. Oktober gegründete Regierung unterstützen zu wollen.

Petersburg, 23. November. Graf Witte empfing ein längeres Telegramm der Mitglieder des Semstwo-Kongresses in Moskau, worin mitgeteilt wird, daß diese bereit seien, ihn zu unterstützen zwecks Wiederherstellung der Ordnung. – Der Zar wird demnächst eine Abordnung der Mitglieder des Semstwo-Kongresses empfangen. Es heißt, daß verschiedene Ministerportefeuilles an Semstwomänner zur Verteilung gelangen.

Die „liberalen“ Mameluken haben es verdient!

Kriegszustand und blaue Bohnen für die Bauern

Petersburg, 22. November. (Meldung der „Petersburger Telegraphen-Agentur“.) Der Zustand des verstärkten Schutzes ist in den Gouvernements Tschernigow, Tambow, Pensa und Kursk, sowie in den Bezirken Balaschow, Serdobsk, Petrowsk, Atkarsk und Saratow, des Gouvernements Saratow und auch in der Stadt Saratow verkündet worden.

Petersburg, 23. November. Die agrarische Bewegung in den Provinzen Tambow und Woronesh nimmt an Umfang zu. Der Vizegouverneur befahl deshalb, eine Anzahl aufrührerischer Bauern zu verhaften und eine größere Anzahl derselben zu erschießen. Die Truppen führten diesen Befehl aus, wobei über hundert Bauern erschossen und zahlreiche verwundet wurden. Die Bauern zerstörten ihre Wohnungen und fordern die Grundbesitzer auf, ihnen ihr Land abzutreten; die Eigentümer flüchten in die Stadt.

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[1] Die zaristische Regierung sah sich angesichts des politischen Generalstreiks gezwungen, konstitutionelle Zugeständnisse zu machen. Im Manifest des Zaren vom (17.) 30. Oktober 1905 wurden bürgerliche Freiheiten gewährt, der Kreis der Wahlberechtigten für die Duma erweitert und der Duma die legislative Gewalt gegeben.