Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 707

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werb mit den europäischen Fabriken unmöglich machen, bis auch in diesen die Arbeitszeit um ebenso viel verkürzt werde. Die russischen Betriebe hätten größere Unkosten, da sowohl die Rohstoffe wie die Maschinen in Rußland viel teurer seien und anderseits die russischen Fabriken ihre Arbeiter für erlittene Unfälle entschädigten, was in den anderen Ländern nicht der Fall sei. Die Mehrheit des russischen Volkes leide schon große Not. Die Verkürzung der Arbeitszeit würde den Preis der Fabrikate verteuern und dadurch die Not der Bauern vergrößern. Die Vereinigung der Vertreter beschloß, die Fabriken zu schließen, falls die Arbeiter nicht von ihrer Forderung des Achtstunden-Arbeitstages Abstand nähmen.

Der Hinweis speziell auf die „geringeren Profite“ der russischen Unternehmer ist eine Unverschämtheit von drolliger Naivität: Es ist allgemein bekannt und offiziell nachgewiesen, daß die Herren z. B. in der Textilindustrie durchschnittlich 40prozentige, in der Eisenindustrie und im Bergbau 50-, 60- und mehrprozentige „Reingewinne“ einsacken. Die Petersburger Arbeiterschaft wird sich auch gewiß durch die Rodomontaden der „Notleidenden“ nicht aus der Fassung bringen lassen.

Militärdiktatur in Aussicht?

Petersburg, 17. November. Der Zar hat die Absicht kundgegeben, falls die jetzige Lage sich verschlimmern sollte, den Großfürsten Michail Michajlowitsch als militärischen Diktator mit den weitgehendsten Vollmachten einzusetzen.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 271 vom 18. November 1905.

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