ein unbeschreibliches Chaos. Die Bevölkerung floh in wilder Angst nach Petersburg. Hier stürmten die Bürger in die Redaktionen und erzählten das Vorgefallene, wobei sie schworen, daß kein einziger Matrose bei den Brandstiftungen beteiligt war, die Einwohnerschaft Kronstadts wisse ganz genau, daß das Feuer von Regierungsagenten angelegt wäre. Zugleich begann das Gesindel natürlich wie immer zu stehlen, zu plündern, besoffene Banden dieser „Ordnungsstützen“ überfielen Privatwohnungen und feierten Orgien. Bei diesem allgemeinen Tohuwabohu rückte eine ganze Division regulärer Truppen aus Petersburg ein, es entstand eine blutige Schlacht, in der die Matrosen und die Hafenarbeiter schließlich „besiegt“ wurden.
Diese Schlacht und dieser Sieg in Kronstadt muß neben den denkwürdigen Siegen der zaristischen Schurken in Kischinjow[1] und in Odessa[2] von der Geschichte verewigt werden. Aber eins ist wenigstens klar: Heutzutage hält sich die Zarenregierung an der Macht nicht einmal durch die nackte Gewalt der Bajonette, denn auch diese versagen. Den Thron der Romanows unterstützen heute als die letzten treuen Pilaster: der besoffene Polizeispitzel und der plündernde Souteneur.
Vorwärts (Berlin),
Nr. 269 vom 16. November 1905.
[1] In Kischinjow hatten im April 1903 die „Schwarzhunderter“ Juden, Studenten, Revolutionäre und Arbeiter terrorisiert. Die Pogrome waren eine Reaktion des Zarenregimes auf Streiks und Demonstrationen der Arbeiter.
[2] Siehe Rosa Luxemburg: Die Geburt der Freiheit im Zarenreich. In: GW, Bd. 6, S. 617; dies.: Die Revolution in Rußland. In: ebenda, 625 ff.; dies.: Der „Verfassungsstaat“ der Mordbuben. In: ebenda, S. 631; dies.: Neuer Wortbruch des Zaren. In: ebenda, S. 639 f.