Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 653

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Der demokratisch-liberale „Verband der Verbände“ fordert die russische Bevölkerung öffentlich auf, die volle Amnestie zu verlangen, da es sich herausgestellt hat, daß die vom Zaren verliehene und mit vielen Klauseln versehene Amnestie nicht ausreichend ist und bis jetzt noch unzählige „politische Verbrecher“ in den Gefängnissen schmachten.

Das Säbelrasseln an der Grenze

Die hakatistischen Hetzblätter[1] hatten richtig gewittert. Nach der „Schles[ischen] Ztg.“ ist der Landrat des Kreises Kattowitz ermächtigt worden, nach freiem Ermessen in Fällen einer Bedrohung der Grenze durch Ausständige oder Revolutionäre sofort ausreichende Militärabteilungen zum Schutze herbeizurufen.

Wie man meldet, sind die Kosaken und die anderen uniformierten Räuber Väterchens [des Zaren], die die preußische Grenze ständig durch ihre frechen Übergriffe beunruhigten, von den Revolutionären in ihre Mauselöcher getrieben. Angesichts dessen läuft das gänzlich unmotivierte Säbelrasseln an der Grenze nur auf eine arge „Beunruhigung“ der deutschen klassenbewußten Arbeiterschaft hinaus, die mit der revolutionären Bewegung drüben ein Herz und eine Seele ist. Man sollte meinen, daß es wahrhaftig nicht nötig wäre, auch noch auf diesem Wege durch neuen Stoff die allgemeine Erregung der Volksmasse zu schüren!

Der Eisenbahnerstreik dauert fort

Breslau, 9. November. Die Eisenbahndirektion Kattowitz teilt mit, daß auch heute noch jeder Verkehr mit Sosnowice stockt.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 264 vom 10. November 1905.

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[1] Der 1894 gegründete Verein zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken, ab 1899 Deutscher Ostmarkenverein, nach den Anfangsbuchstaben seiner Gründer, Ferdinand von Hansemann, Hermann Kennemann und Heinrich von Tiedemann-Seeheim, auch Hakatistenverein genannt. Er vertrat eine rücksichtslose wirtschaftliche und politische Unterdrückungspolitik gegenüber den Polen in den östlichen Provinzen des Deutschen Reiches und strebte die territoriale Expansion nach dem Osten an.