Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 651

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Petersburg, 9. November. Der heilige Synod wird in ein Patriarchat umgewandelt; zum Patriarchen soll der jetzige Metropolit von Petersburg ernannt werden.

Petersburg, 9. November. Der Staatsrat wird ein Gesetz unterzeichnen betreffend die Gründung eines Pressebüros, ähnlich der Organisation, welche seinerzeit Bismarck in Deutschland eingeführt hatte.

Petersburg, 9. November. Die Ernennungen für das Ministerium des Innern und des Unterrichtes sind noch immer nicht erfolgt. Der Beschluß für das Ministerium, ein Geschäftskabinett zu bilden, ist vom Zaren gebilligt worden.

Trepow soll nach einer Meldung den Abschied erhalten haben. An seine Stelle tritt angeblich der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch.

Das „Bureau Laffan“[1] meldet: London, 9. November. General Trepow hat, einer Petersburger Meldung des „Daily Telegraph” zufolge, fünfmal seinen Rücktritt angeboten, ist aber immer von Witte gebeten worden, im Amte zu bleiben.

Das Wahlrecht

Eine russische Korrespondenz bringt die Nachricht, es sei beschlossen worden, daß in die Reichsduma nur solche Reichsdumakandidaten der Arbeiterschaft zugelassen werden, die das ganze Jahr hindurch als Arbeiter tätig gewesen sind. Wahlberechtigt sind ebenfalls nur ständige Fabrikarbeiter, nicht aber solche, die ein Teil des Jahres sich mit der Landwirtschaft beschäftigen.

Die Judenmetzeleien

Das Wüten der „schwarzen Banden“[2] und des von ihnen angestachelten Pöbels gegen die Juden dauert in der ganzen Strecke des Zentral-, Süd- und Westrußlands fort.

Der dem „Verband der Verbände“ angehörige Fürst Eristo[3] beabsichtigt, durch Vorträge und Flugschriften das Volk darüber aufzuklären, daß die jetzigen Krawalle und Judenmassaker von der russischen Regierung organisiert sind.

Das erste sozialdemokratische Blatt in Petersburg

Petersburg, 9. November. Heute ist hier die erste Nummer der sozialdemokratischen Zeitung „Nowaja Shisn“ („Neues Leben“) erschienen. Die Redaktion soll in engster Verbindung mit Maxim Gorki stehen.

Das „Wolffs’sche Telegraphische Büro“ meldet: Die Sozialdemokratische Partei veröffentlicht in der neuen Zeitung „Nowaja Shisn“ ihr Programm, das sich im allgemeinen dem Erfurter Programm der deutschen Sozialdemokratie anschließt.

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[1] Eine von William MacKay Laffan gegründete Nachrichtenagentur. Der 1848 in Dublin geborene und 1909 in New York verstorbene Laffan war Journalist und u. a. Herausgeber und Eigentümer von „The Sun“.

[2] Die „schwarzen Banden“, „Schwarzen Hundert“, „Schwarzhundertschaften“ waren eine im „Bund des echt russischen Volkes“, nach dessen Spaltung 1908 auch im „Erzengel-Michael-Bund“, verankerte militant nationalistische und antisemitische Bewegung von Monarchisten. Sie agierten als bewaffnete terroristische Banden des zaristischen Regimes, ermordeten Arbeiter, Intellektuelle und zettelten Pogrome an. Sie setzten sich aus reaktionären Elementen des Kleinbürgertums, des Lumpenproletariats und aus Kriminellen zusammen.

[3] Fürst Eristo ist Maxim Gorki.