Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 6, 1. Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2014, S. 642

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hat als jemals eine Frage von internationaler Bedeutung verfahren worden ist, nicht mehr als ganz unmöglich gelten kann, – weder Österreich-Ungarn noch Italien ließe einen einzigen Mann als Hilfe für Deutschland marschieren. Deutschland müßte froh sein, daß sein „Erbfreund“ Rußland, dessen Erbfreundschaft in der Gründung des Zweibundes „Rußland-Frankreich“[1] gipfelte, von der Revolution durchwühlt wird, ansonsten es mit Frankreich und England gemeinsame Sache gegen es machen würde. Die Stunde wäre niemals für Rußland günstiger als in einem solchen Krieg, um den längst ersehnten Raub der preußischen Ostseeprovinzen zu vollziehen; denn seitdem Rußlands Expansionsfähigkeit für unabsehbare Zeit an den Gestaden des Stillen Ozeans eine unübersteigbare Grenze gefunden hat, wird es nunmehr im Westen zu erlangen suchen, was ihm im Osten versagt worden ist, Häfen am Meere. Der Besitz des Bosporus und der preußischen Ostseeprovinzen sind von jetzt ab das Ziel seiner Wünsche. Das hat auch Graf Witte, wie ganz selbstverständlich ist, deutlich erkannt und kürzlich in einem wenig beachteten Interview mit der Bemerkung bestätigt: Rußland werde nunmehr im Westen zu erlangen suchen, was ihm im Osten versagt blieb. Er sei mit dieser neuen Aufgabe seines Landes zufrieden.

Man müßte mit vollendeter Blindheit geschlagen sein, wollte man diese für Deutschland so verhängnisvolle Situation in der Wilhelmstraße und im Hohenzollernschloß an der Spree übersehen. Alle noch so krampfhaften Versuche, dem in höchster Angst vor seinem eigenen Volke lebenden Zaren durch alle denkbaren Liebesdienste sich zu verpflichten, ändern an den geschilderten Tatsachen nichts, absolut nichts.

Hat so im Laufe dieses Jahres durch die gekennzeichneten Vorgänge sich die äußere Situation der europäischen Staaten außerordentlich verschärft und die Gefahr eines großen europäischen Krieges nähergebracht, als sie je seit 1871 vorhanden war, so ist auch in der inneren Entwicklung großer, bisher zurückgebliebener Staaten ein mächtiger Schritt nach vorwärts geschehen.

Die russische Revolution, die unter Führung der Sozialdemokratie immer mächtiger und tiefer wirkt, hat das noch vor kurzem für unmöglich gehaltene möglich gemacht. Der russische Despotismus ist im Sturz begriffen und was an seine Stelle tritt, kann nur ein neues modernes Rußland sein, das in mehrfacher Beziehung die westeuropäischen Staaten durch neu geschaffene Einrichtungen ebenso überraschen dürfte, wie seine Revolution Europa und die Welt überrascht hat.

Mit dem neuen Rußland ist aber auch das alte Preußen unter der brutalen Herrschaft und Knechtschaft des Junkertums und des Scheinkonstitutionalismus in seinem Lebensnerv bedroht. Ein demokratisches Rußland im Osten und ein republikanisches

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[1] Seit 1887 hatte sich aufgrund der französischen Anleihen, der russischen Aufträge für Frankreichs Industrie und der sich zuspitzenden internationalen Situation eine weitgehende Annäherung beider Länder vollzogen, die durch einen Konsultativpakt 1891 und eine Militärkonvention 1893 zu einem festen Bündnis wurde.